Rezensionen

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
Roman | Eine Coming-of-Age-Geschichte voller Drive und Witz

Autor: Julia Jost

Erschienen 2024 bei Suhrkamp
ISBN 978-3-518-43167-2
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Fantastisch - 5 Sterne

von Rebecca - 2024-04-17 10:32:00

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht - 5 Sterne

Der Roman erzählt aus der Sicht der jungen Protagonistin das Aufwachsen in der Bergwelt Kärntens. Wie ist es zu schaffen in einem Dorf als querstehendes Kind zu überleben. In einem wundervollen Erzählstil bringt die Autorin das Gefühl hervorragend nahe.
von Doris Stadlbauer - 2024-03-07 16:47:51

Wow - was für ein Debüt! - 5 Sterne

Ein Mädchen, das als Junge wahrgenommen werden möchte und eine Dorfgemeinschaft, in der miteinander gelebt und geliebt, gepackelt und, mit Verlaub, gesoffen wird, in der Männer den Ton angeben und auch mal ein Nazilied anstimmen - dreimal darf man raten, was in den 1990er Jahren eher als "normal" gesehen wird. Die 12 jährige Hauptfigur beobachtet sehr genau und erinnert sich an das Leben mit ihren Mitmenschen am Tag des Wegzugs aus der vertrauten Kinderwelt, und das ohne zu bewerten oder zu denunzieren. Jost gelingt in ihrem Debüt ein komplexes und vielschichtiges Panorama - in einer bildreichen und dichten Sprache schildert sie den familiären und dörflichen Alltag, der bei mir Gänsehaut, Vergnügen, Erschrecken, Gelächter und Nachdenklichkeit ausgelöst hat. Ein großartiges Debüt, ein beeindruckender Roman, bitte bald mehr davon!
von HEYNi Tanja Zwiener - 2024-03-07 16:06:08

Großartiges Debüt über das Aufwachsen am Land - 5 Sterne

Kärnten, Mitte der 90er Jahre. Die Ich-Erzählerin wird als kleines Mädchen mit ihrer Familie den elterlichen Dorf-Gasthof verlassen und in die größere Stadt ziehen. Unter dem Umzugslastwagen versteckt rekapituliert sie ihre Kindheit und das Leben am Dorf zwischen Katholizismus, patriarchalen Strukturen und Aufschwung der FPÖ. Die Klarheit ihrer Beobachtungen und Schilderungen verrät, dass die kindliche Perspektive nicht ganz wörtlich zu nehmen ist.

Julia Jost beschreibt in diesem Roman mit autobiografischen Zügen wie es ist, in einem Umfeld aufzuwachsen, in das man von Anfang an nicht hineinpasst und hineinpassen möchte. Das Buch feiert die überbordende (kindliche) Fantasie, den Humor und die Fabulierkunst, der es wohl zu verdanken ist, dass die Protagonistin an ihrer Umgebung nicht zerbricht.

Der Roman ist ein Feuerwerk an großartigen Sätzen und ein überzeugendes Porträt der gesellschaftspolitischen Stimmung in den 90er Jahren am Land. Mit Julia Jost hat eine herausragende Autorin die literarische Bühne Österreich betreten.
von Ina - 2024-02-27 05:50:12

Karawankenzahn - 5 Sterne

Südkärnten. Dörfliches Milieu. 80er, 90er Jahre. Ein 11-jähriges Mädchen spielt Verstecken. Während die beste Freundin herunterzählt, blickt die Protagonistin in ihrer Biographie bissig, entblößend und humorvoll zurück und lässt die Leser*innen an Dorftragödien, kindlichen Ängsten, Fantasien und Träumen, schrägen Familienepisoden und unreifem Verhalten von Erwachsenen teilhaben. Dass die Identitätsfindung gelingt, liegt nicht an der Identifikation mit den Erwachsenen, die zu sehr und oftmals ratlos mit sich selbst beschäftigt sind, glückender Interaktion oder gar Erziehung, sondern schlicht am selbstbewussten und achtsamen Umgang eines auf das Leben neugierigen Kindes mit sich selbst in einer bizarr-bunten Welt. Diese ist bevölkert von Menschen, deren oft groteskes und schauspielerisches Sosein, wenn man nicht von ihnen abhängig wäre, sehr unterhaltsam und lehrreich sein könnte. Wenn man die Begegnungen mit diesen Mitmenschen überlebt, beginnt man sie zu lieben.
von Herwig Oberlerchner - 2024-02-25 14:49:00

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauffletscht - 5 Sterne

Der Titel lässt ungewöhnliches erwarten, und tatsächlich liegt hier eines der spannendsten österreichischen Debuts der letzten Jahre vor. Julia Jost kommt ursprünglich vom Theater und beschreibt in ihrem Prosaerstling Kindheit und Jugend in einem kleinen Ort in Kärnten. Ein Mädchen, das sich in ihrem Körper nicht wohl fühlt und überall aneckt, ist die Hauptfigur. Aus ihrer scheinbar kindlich naiven Sicht lernen wir die Bewohner des Ortes kennen, darunter alte und neue Nazis, erzkatholische Moralapostel sowie Migranten, die vor dem Balkankrieg geflüchtet sind. Durch die unverblümte Ausdrucksweise kommt es zu herrlich komisch absurden Szenen, unter deren Oberfläche allerdings immer ein tiefer Abgrund lauert. Ein virtuoser Roman über Identität und Herkunft, der mich sehr begeistert hat!
von Florian Lechner - 2024-02-09 10:26:27

Ein Stück 'Heimatgeschichte' ... - 5 Sterne

2019 wurde Julia Jost zu Recht für den Auszug "Unweit vom Schakaltal" mit dem Kelag-Preis ausgezeichnet.
Nun legt sie ihren sehr beeindruckenden Debütroman vor. Aus der Sicht "knieabwärts" erzählt die (nur scheinbar kindliche) Protagonistin viel über das Dorf, die Bewohner, deren Identität und Herkunft. Einige Male blieb mir beim Lesen das Lachen im Halse stecken. Zwecks der Wahrheit, den Erinnerungen, die wach werden, der immer noch so tiefen Gräben - zumal sich gar nicht viel verändert hat über die Jahre und weil halt nicht alles so schön ist im Kärntnerland ...
Tiefsinnig, mit autobiografischen Zügen, manchmal überspitzt und mit Sarkasmus gespickt, erzählt die Autorin ein Stück Kärntner Heimatgeschichte ...

Eine klare Leseempfehlung (auch für „Nicht-Kärtner:innen")!
von HEYNi Katja Wassermann - 2024-02-07 09:00:02