Rezensionen

Packerl
Ein Familienroman, wie es ihn noch nie gab

Autor:

Erschienen 2023 bei Ullstein Buchverlage GmbH & Co. KG
ISBN 978-3-550-20252-0
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Sprünge, Auslassungen und Vernebelungen - 5 Sterne

Margarethe, Elli, Alexandra, Eva. Vier Frauen, Mütter und Töchter, vier Generationen einer Salzburger Familie, miteinander tief verbunden durch ähnliche Konflikte und unbewältigte Lebensthemen, die sie von Generation zu Generation weitergeben. Sie suchen ihr Seelenheil in kollusiven Beziehungen zu ihren Partnern, werden ungewollt schwanger, es kommt zu Abtreibungen, die Nebenpartner machen sie auch nicht glücklich, sie kommen miteinander nicht ins Gespräch, beschweigen die wirklich relevanten Themen, die Geheimnisse landen in Kisten. Auch als Leser kommt man nicht in Kontakt mit den Protagonistinnen, kaum hat man sich einer angenähert, wechselt die Autorin die Sprache und die Generation, macht einen Zeitsprung, und man vertieft sich die nächste Biographie, bis das Erlesene sich wieder auflöst. Durch die Sprünge und Auslassungen und Vernebelungen entsteht kein roter Faden, sondern ein ungelöster, transgenerational weitergereichter Themen- und Identitätsbrei – das Packerl, das in Eva, der vorerst letzten Generation in Selbstverletzung, Depression, Psychiatrieaufenthalten und innerer Leere kulminert. Ein Buch über die Schwierigkeit der Generationen miteinander in Kontakt zu kommen, die unbewusst tradierten Pseudolösungen seelischer Konflikte fruchten nicht, zuletzt sitzt Eva im Ringen um ihre Identität vor der Kiste mit der Familiengeschichte, befriedigt sich selbst und macht sich dann (vielleicht) an die Arbeit. Ein anstrengendes, irritierendes und zuletzt traurig machendes Buch.
von Herwig Oberlerchner - 2024-03-10 08:23:00

Ein nicht abgeholtes Paket - 2 Sterne

Formal und sprachlich gesehen verdient die Geschichte von 3 Frauengenerationen durchaus Anerkennung. Mich hat sie aber nicht abgeholt.
Zu ausweglos dargestellt scheint mir der WIederholungszwang in den Lebensgeschichten und hat mich ratlos zurückgelassen.
von HEYN Leserunde Irmgard Gstettner - 2024-02-20 21:21:00

Gelungener Debütroman - 4 Sterne

Ich habe die letzte Seite des Buches zugeschlagen und Lust gehabt, gleich wieder von vorne anzufangen. Dies hat mehrere Gründe: Einerseits vermag Anna Neata mit ihrem Schreibstil zu fesseln, die Geschichte von Frauen einer Familie über 4 Generationen hin weckt Interesse und der nicht chronologisch erzählte Roman ist reizvoll verschachtelt . Andererseits hatte ich am Ende das Gefühl, nicht alle Aspekte des "Packerls" verstanden zu haben, das die Frauen über die Generationen zu tragen hatten. Offenbar habe ich am Ende den Überblick verloren. Schlussfolgerung für mich: Dieses Buch darf man nicht nebenbei vor dem Einschlafen lesen, sondern als Hauptspeise in längeren Lesesequenzen, dann ginge sich auch eine 5-Stern-Bewertung aus. Leseempfehlung als Urlaubsbuch!
von Wolfgang Pfleger - 2024-02-12 15:27:00

Eher eine Photostrecke - 3 Sterne

Dieses Buch hätte sich – wäre das technisch möglich – zwei Beurteilungen verdient: ein "sehr gut" und ein "schlecht".

Das sehr Gute zuerst: Einzelne Episoden in der Geschichte einer Familie sind wunderbar plastisch geschildert und liefern dabei fast unbemerkt jene Informationen, auf die es im Vergangenen schon mehr oder minder heimliche Hinweise gab bzw. die im Weiteren deutlicher entfaltet werden. Beispielhaft versammelt gleich das erste Kapitel sämtliche Figuren, Handlungsstränge und Probleme, aus denen dann der Roman aufgebaut wird. Und die "Sonnenfinsternis" aus der Kapitel-Überschrift kann auch auf symbolischer Ebene als Zustandsbeschreibung für alle drei Generationen von Frauen dieser Familie gelesen werden.

Damit beginnt aber auch schon die Kritik: An die jeweiligen Zeit- und Lebensumstände angepasst, verharren Großmutter, Tochter und Enkelin in einer unselbständigen, fremdbestimmten und auch sprachlich reduzierten Lebensweise. Dem entspricht nicht nur die Nähe der Figurenrede zur Alltagssprache, es motiviert auch die Dialekt-Merkmale des gesamten Erzählens. In der Wiederholung wird vorgeführt, dass das vorrangige und unveränderte Interesse im Leben einer Frau die Suche eines Mannes darstellt (daran ändert weder eine lesbische Beziehung noch das Ausweichen in die Selbstbefriedigung grundsätzlich etwas). Der Überdruss, der sich infolge dessen mit fortschreitender Lektüre einstellt und verstärkt, ließ in mir den Wunsch aufkommen, der Text wäre nicht als Roman, sondern als eine Reihe selbständiger Erzählungen konzipiert, die jeweils ein Schlaglicht auf eine kurze Episode werfen – vergleichbar vielleicht mit einer Photostrecke.
von HEYN Leserunde Petra Hesse - 2024-02-06 17:50:00

Drei Frauen, drei Generationen: Leseempfehlung! - 5 Sterne

Anna Neata gelingt mit ihrem Debütroman ein eindrucksvoller und berührender Einblick in drei Frauengenerationen mit historisch-gesellschaftlichem Bezug: Tochter, Mutter und Großmutter werden mit ihren Lebensgeschichten, Geheimnissen und Verstrickungen gekonnt und mit einzigartigem Schreibstil dargestellt. Das Namensregister war für mich hilfreich, um die Orientierung zu behalten. Leseempfehlung!
von Andrea Logar - 2024-02-04 21:58:00

Gänsehaut von innen - 2 Sterne

…ein toller Ausdruck, den ich so noch nie gehört habe. Leider endet meine Begeisterung schon an dieser Stelle. Den gewählten Sprachstil empfand ich als
zu „gewollt“ und mühsam, bin einfach kein Freund endloser Schachtelsätze. Und – unter einem „großen Familienroman des 21. Jahrhundert“ hatte ich mir schlicht etwas anderes erwartet. Vielleicht wars einfach der falsche Zeitpunkt mit diesem Buch und mir. Oder ich hätte, wie sonst auch, den Klappentext ignorieren sollen. Schade.
von HEYN Leserunde Caro F. - 2024-02-02 16:43:00

"Familienepos" der anderen Art - 4 Sterne

Ein etwas anderes „Familienepos“ über 4 Generationen; diesmal über Frauen aus der Zeit von vor dem 2. Weltkrieg bis jetzt, diesmal nicht aus dem Landadel, Geldadel, Industrieadel oder der Welt der Schönen und Reichen, nein, diesmal aus der Welt von ganz normalen Menschen.

Das Buch zeigt eindrücklich und gut verständlich Auswirkungen von belastenden Erlebnissen oder Traumata über die Generationen hinweg bei Kindern und Enkelkindern, wenn diese „Packerln“ nicht aufgearbeitet, sondern quasi ungefiltert an die Kinder weitergegeben werden. In gewisser Hinsicht ist dieses Buch auch eine „Fundgrube“ für psychische Belastungen in Familiensystemen.

Die Erzählungen sind sehr dicht ge-und beschrieben, sie haben mich dazu gebracht, das Buch immer wieder wegzulegen und dem nachzuspüren, was ich gerade gelesen habe. Denn vieles von dem hat mich an ähnlich Erlebtes erinnert, das ich erst einmal nachklingen lassen wollte.

Leider unterbricht die von der Autorin gewählte Technik der bruchstückhaften Erzählungen aus verschiedenen Perioden anstelle längerer zusammenhängender Handlungsstränge meinen Lesefluss und das tiefere Einfühlen in die einzelnen Erzählungen. Auch fehlt mir eine stärkere Einbindung der „Packerl“ der Männer/Väter in die jeweiligen Episoden, um das Verhalten und die Reaktionen der Frauen/Mütter besser verstehen zu können.

Der Roman enthält daneben auch eine Art Kulturgeschichte über die verschiedenen Epochen mit vielen sehr berührenden Alltagsschilderungen, deren Umfeld ich (Jahrgang 1956) teils selbst erlebt habe. Diese vielen Alltagsgeschichten, die das Leben und Empfinden der Protagonistinnen mit der Last ihrer „Packerln“ in den jeweiligen Zeitabschnitten schildern, sind in meinen Augen auch eine Bereicherung für das Verständnis des Hier und Jetzt; denn es erklärt so Manches, was jüngeren Menschen bei Älteren eigenartig erscheint.

Deshalb: sehr empfehlenswert
von Manfred Angerer - 2024-02-01 13:53:00

Faszinierend und mühsam - 4 Sterne

Anna Neata hat mit ihrem Debütroman Packerl ein literarisches „Kunst-werk“ geschaffen. Die Geschichte von 3 Frauengenerationen, leicht und flockig österreichisch erzählt, immer in äußerst kurze Sequenzen verpackt, berührt die Leserin. Sowohl die persönlichen Geschichten als auch die geschichtlichen und politischen Rahmenbedingungen kennen wir von der einen oder anderen Seite. Können mitgehen, mitfühlen und sind doch sofort wieder herausgeworfen, weil die Sequenzen so klein gehalten werden. Was bleibt, ist eine Art von Nicht-Verstehen oder Doch-Verstehen, immer im Abriss, mehr im Erahnen als im Wissen. So kann es uns Nachgeborenen gehen, wenn wir in die eigenen Familiengeschichten hineinsehen. Manches ist bekannt, vieles interpretiert, im Nachklang eventuell umgedeutet, schwierig bisweilen und mühsam. Was bringt der Blick zurück? Eventuell Verständnis, Mitgefühl, Einfühlungsvermögen – auch in das eigene Sein, in den Versuch und die Hoffnung, es stimmig für sich selbst hinzubekommen – das eigene Leben …

Ein gelungenes Werk, das Aufmerksamkeit verdient – Lesevergnügen hat es mir nicht bereitet. Ich bevorzuge einen geschlossenen Bogen in Erzählungen, dieses Werk ist mir zu „ausgefranst“.
von HEYN Leserunde Barbara Maria Angerer - 2024-02-01 13:23:00

Paket abzuholen - 5 Sterne

Eine ungewöhnliche Familiengeschichte, die mich abgeholt hat. Mit sprachlicher Eleganz umschifft Anna Neata Problemzonen, die fast jeden treffen. Sehr spannend zu lesen - nicht nur ein Familienroman.
von HEYN Leserunde Andrée - 2024-02-01 09:05:00

Interessant - 3 Sterne

Das Buch, ein gut durchdachtes Konzept.

Anna Neata schildert die Geschichte von drei österreichischen Frauen, Großmutter, Mutter und Tochter, über einen Zeitraum von 80 Jahren, von 1942 bis in die Gegenwart.

Sie konzentriert sich auf die Zutaten: das Schweigen als Medizin für das Erleiden, toxische Beziehungen, ungewollte Schwangerschaften, Depressionen, Suizidversuche, nicht verarbeitete nationalistische Vergangenheit... und wie beim Kochen, rührt und mischt sie ständig.

Der einzigartige Sprachstil der deutschen Sprache, ist ungewöhnlich für die Leser, wirkt das vielleicht als etwas Besonderes, neues. Für mich nicht neues, ich kenne den Stil aus der slawischen Sprache.

Leseempfehlung für den Mut in diesem einzigartigen Stil zu schreiben.

„Das Schicksal der Menschen ist der Schatten der Träume von Glück, wenn Unglück passiert, ist der Schatten weg.“ ( Il canto s` attrista, perche?“ Salvatore Sciarrino)
von HEYN Leserunde Ewa Wiercinska - 2024-02-01 08:43:00