Rezensionen

Kajzer
Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung

Autor: Menachem Kaiser

Erschienen 2023 bei Zsolnay, Paul;Houghton Mifflin Harcourt
ISBN 978-3-552-07339-5
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Suche nach Erinnerung - 5 Sterne

Der Autor begibt sich in diesem Sachbuch auf die Suche nach der Erinnerung an seinen verstorbenen Großvater, einen Überlebenden des Holocaust aus einer Stadt in Polen. Er will seinem Großvater näherkommen, indem er in dessen Heimatstadt reist und versucht, das Haus, das seine Urgroßeltern dort besessen hatten, zurückzufordern - ein bürokratisch fast aussichtsloses Unterfangen, an dem schon der Großvater gescheitert war.
Im Sachbuch wechseln sich spannende Kapitel zur verschlungenen Recherche der Familiengeschichte vor Ort ab mit reflektierenden Kapiteln über Erinnerung, die Faszination mit Nazis, die zum Vergessen ihrer Opfer führt, und den Umgang mit Orten des Holocausts in Polen ab. Dabei ist der Autor schonungslos ehrlich gegenüber sich selbst und den Lesern, indem er Leerstellen, Widersprüche und unbefriedigende Ergebnisse der Suche nicht glättet, sondern diese im Gegenteil zum Thema macht. Wie der Autor selbst schreibt: Ein Roman über seinen Großvater wäre leichter gewesen. Ich bin froh, dass er sich dennoch für dieses spannende und zugleich zum Nachdenken anregende Sachbuch entschieden hat.
von Lu - 2023-10-19 13:05:00

Faszinierend - 5 Sterne

Ein wunderbares Buch von der Suche nach den eigenen Wurzeln, der Familiengeschichte (die mit der innerfamiliär kolportierten Version nicht immer übereinstimmt) und nach Gerechtigkeit.
Faszinierend, historisch lehrreich und höchst sympathisch geschrieben.
von Mr. HEYN Helmut Zechner - 2023-10-09 08:14:47

Wie bedeutsam es ist, seine Vorfahren zu ehren - 3 Sterne

Menachem Kaiser nimmt uns mit auf die Spuren seiner jüdischen Vorfahren, die in Polen gelebt haben. "Kajzer" ist ein Sachbuch und kein ausschmückender Roman, so dass wir stellenweise wie in einem Geschichtsbuch blättern und erstarren. Der Einstieg beginnt mit sehr wenigen Hinweisen über seinen Großvater, den er selbst nicht gekannt und der, als einziger seiner Familie, den Holocaust überlebt hat. Sein Vater berichtet über ein erfolgloses Ansuchen seines Vaters, ein in Polen befindliches Familienanwesen wiederzuerlangen. Hier beginnt ein mühsames Puzzlespiel. Wir erfahren von dem immer noch ungeklärten unterirdischen Naziprojekt "Riese", in dem sich Schatzsucher, wie Hobbygräber mit modernstem Gerät tummeln und lesen von den schrecklichen Konzentrationslagern, die relativ geballt in Schlesien angelegt wurden. Wir erleben wie der Autor mit Hilfe eines Freundes, einer Übersetzerin, polnischer Anwältin und einer Portion zufälliges Glück mehr und mehr über seine Familie in Erfahrung bringt. Eine unglaubliche und doch leider wahre Geschichte erwartet den Leser und sollte ihn hellhörig werden lassen, um daraus zu lernen und zu verstehen. Unbedingt Lesen!
von evaki - 2023-10-08 18:52:00

Ein Stück Zeitgeschichte, vielschichtig erzählt - 4 Sterne


Dieses Buch schlug ich erst einmal mit gewissen Vorbehalten auf. Wollte ich wirklich lesen über ein Thema, das schon in zig Variationen in der Literatur und in Filmen seinen Niederschlag gefunden hatte? Ich war irgendwie des Themas überdrüssig, wohl wissend, dass gerade in unserer heutigen Zeit solche Bücher nicht nur wichtig, sondern dringend notwendig sind. Aber in meinem höheren Alter war ich es satt, wieder und wieder über das Entsetzliche zu lesen.

Menachem Kaiser, im fernen Toronto lebend und eigentlich ohne Bezug zu seiner Familiengeschichte, macht sich auf den Weg nach Polen. Es gibt dort ein Mietshaus, einst in Familienbesitz, dann von den Nazis enteignet. Der Autor versucht, dieses einstige Familieneigentum wieder zu erlangen. Dass diese Reise sowohl in die Vergangenheit, wie in das Leben seines Großvaters, führt als auch in die Gegenwart, in der Skurriles und fast mystisch Anmutendes gleichermaßen zu finden ist, erzählt Menachem Kaiser staunend, irritiert, genervt, bewegt und durchaus auch mit einem leisen Humor. Und genau dieser leise Humor machte das Buch für mich gut lesbar. Auch wenn manche Passagen bzw. Erzählstränge für mein Empfinden zu breit erzählt werden. Auch wenn nicht chronologisch erzählt wird und damit mitunter dem Geschehen schwierig zu folgen war.

Fazit: Ein Buch, das zwischen erzählender Literatur und Sachbuch einzuordnen ist. Ein Buch, das ein Stück Zeitgeschichte sowohl aus dem distanzierten Blickwinkel eines jüngeren Menschen als auch aus dem familiären persönlichen Betroffensein erzählt wird, vielschichtig und mit leisem Humor, manchmal langatmig, manchmal berührend. Ein durchaus wichtiges Buch, wie ich finde.
von heinoko - 2023-10-03 09:49:00

Ambivalenz und Aufarbeitung - 3 Sterne

„[…] wogende Hügel, fette Heuballen, Berge in der Ferne. Ein paar große moderne Häuser, weit genug auseinander, um als Teil der Szenerie durchzugehen. Es fühlte sich vertraut an, oder vielleicht meine ich nicht vertraut, sondern erwartet: So sieht ein Ort mit der schrecklichsten Geschichte aus, so etwas geschieht, wenn die Zeit sich darüber hergemacht hat. Je düsterer die Geschichte, desto opulenter die Landschaft? Schotterwerk hatte zumindest elf Baracken und beherbergte mindestens 1250 Häftlinge. Ich blieb nicht länger; das Malerische verstimmte mich.“ (S. 235)

Menachem Kaiser, kanadischer Autor mit Jüdischen Wurzeln, macht sich auf, die Geschichte seiner Familie zu ergründen. Schnell gerät sein Großvater, den er nie kennengelernt hatte, in den Fokus seines Interesses. Wenig weiß er über ihn, doch plötzlich findet er heraus, dass sich der Vater seines Vaters über 20 Jahre darum bemüht hatte, Restitution für ein Haus in einer polnischen Stadt, welches die Familie durch die Shoa verloren hatte, zu erlangen. Hier beginnt die abenteuerliche Reise, die den Autor zahlreiche Male nach Polen führt; die ihn wundersame Menschen treffen; die berührende Geschichten über seine Verwandtschaft zutage treten und die ihn die schrecklichste aller Geschichten ein Stück weit aufarbeiten lässt.

Die Erzählung über seine Familie und die Idee seines Großvaters, das Haus in Polen wieder in Familienbesitz zurückzuholen, wiederaufzunehmen und selbst dabei sein Glück zu versuchen, beginnt spannend und kurzweilig. Immer wieder lässt der Autor die Leser/innen an seinen teils philosophischen und moralischen Gedankengängen teilhaben. Es ist durchaus erhellend mitzuverfolgen, wie er sich in Polen auf Spurensuche begibt, die Bewohner/innen des mutmaßlichen Familienhauses kennenlernt und sich mit dem Polnischen Justizsystem durchschlägt. Doch dann, nach rund 60 Seiten, beginnen weitere knapp 100 Seiten, die mich fast zur Aufgabe getrieben hätten. Für meinen Geschmack viel zu ausführlich beschreibt er Begegnungen mit sogenannten Schatzsuchern, die eine Obsession mit einem mysteriösen, unterirdischen Nazi-Bauwerk, genannt „Riese“, entwickelt haben und ihr Leben scheinbar der Schatzsuche in diesem Gebilde verschrieben haben. Kaiser fühlt sich wohl von ihnen angezogen als auch abgestoßen zugleich – die Faszination muss aber doch so stark gewesen sein, dass er es wert fand, beinahe 100 Seiten über sie zu schreiben. Warum dies so ausführlich geschehen musste und was das zum Fortgang der Geschichte, die er erzählen mag, beigetragen hat, ist mir nach (doch noch geschaffter) Beendigung des Buches überhaupt nicht klar. Ein kurzes Kapitel darüber wäre meines Erachtens ausreichend gewesen. So habe ich das Buch genommen, ein paar Seiten gelesen, es aus Langeweile wieder weggelegt, pflichtbewusst wieder aufgenommen – und nach kurzer Zeit wieder weggelegt. Immer und immer wieder habe ich mir gedacht, ich muss dem Buch noch eine Chance geben. Und nachdem die Ergüsse über die Schatzsucher ein Ende nahm, wurde ich belohnt: es wurde wieder lesbar! Wie ein Detektiv ergründet er die Geschichten seiner Verwandtschaft – besonders jene von Abraham, einem Cousin seines Großvaters (auf den er zugegebenermaßen durch die Schatzsucher gekommen ist) – seine Erlebnisse sind berührend und unergründlich zugleich. Das Ende des Buches finde ich jedoch irgendwie wieder unbefriedigend. Für mich wirkt es nicht abgerundet – eine Sache bleibt unabgeschlossen – ich möchte hier nicht spoilern, aber er hätte mit dem Abschluss des Buches ruhig noch den Ausgang abwarten können. Auch wenn das noch 20 Jahre gedauert hätte, die erzählte Geschichte hat nichts an Dringlichkeit.

Für mich ist das Buch sehr ambivalent – einerseits hochspannend und stilistisch gut geschrieben, andererseits nervtötend und das Ende nicht zufriedenstellend. Der Autor lässt einen in die Jüdische Lebenswelt eintauchen, bringt den Lesenden aber auch seine Wahrnehmung der Polnischen Gesellschaft näher und gibt Einblicke in den Umgang mit deren Nazi-Vergangenheit. Ich bin überzeugt, dass es bessere Bücher über die Spurensuche in die Jüdische (Familien-)Vergangenheit gibt, nichts desto trotz hat „Kajzer“ seine interessanten und bereichernden Seiten.

Verschlungene Spurensuche - 4 Sterne



Menachem Kaiser, Jahrgang 1985, Nachkomme polnischer Juden, ist in Toronto aufgewachsen und lebt heute als Schriftsteller in New York. Für sein erstes Buch „Kajzer“ , im Original unter dem Titel „ Plunder. A Memoir of Family Property And Nazi Treasure“ ( „ Plünderung. Ein Memoir über Familienbesitz und Nazi - Schätze“ ) erschienen, erhielt der Autor den Sami- Rohr- Preis für jüdische Literatur.
Während einer Reise nach Polen 2010 beschließt Kaiser spontan Sosnowiec aufzusuchen, den Heimatort seines Großvaters. Von seinem Großvater wusste er nur, dass er der Einzige aus seiner Familie gewesen sein soll, der die Shoa überlebt hat. Selbst kennengelernt hatte er ihn nie, da dieser einige Jahre vor seiner Geburt gestorben war.
Wie einer von vielen „Erinnerungstouristen“ besucht Menachem Kaiser also Sosnowiec, findet aber kein malerisches Schtetl vor, sondern „ eine trostlose postindustrielle Stadt“.
Da ahnt der Autor noch nicht, dass er wieder hierher zurückkehren würde, um den Kampf seines Großvaters um die Rückerhaltung einer im Familienbesitz stammenden Immobilie weiterzuführen. Was als Projekt zur Restitution beginnt, entwickelt sich zu einer verschlungenen Reise nach der eigenen Familiengeschichte. Von dieser Suche, die keineswegs geradlinig verläuft, sondern mit vielen Missverständnissen, falschen Spuren und unwahrscheinlichen Zufällen gespickt ist, erzählt dieses Buch. Sie dauert einige Jahre und am Ende hat Menachem Kaiser zwar nicht sein ursprüngliches Ziel erreicht, dafür ist er um viele Erfahrungen, Begegnungen und Erkenntnissen reicher geworden.
Kaiser reist nun oft nach Schlesien, erkundet sehr genau das besagte Haus, das seinen Vorfahren gehört hat, lernt die jetzigen Bewohner kennen und hat denen gegenüber ein ungutes Gefühl. Um sehr viel später zu erfahren, dass es sich um das falsche Haus gehandelt hat.
Bei seinem Kampf um das Familieneigentum macht er Bekanntschaft mit den Mühlen des polnischen Rechtssystems. Um den Anspruch seiner Familie auf die Immobilie geltend machen zu können, muss er erstmal gerichtlich nachweisen, dass der frühere Besitzer, also der Urgroßvater und seine Nachkommen tot sind. Für ihren Tod während des Krieges gibt es allerdings keine Dokumente. Aber auch wenn sie Deportation und Lager überlebt hätten, wofür es keine Beweise gab, wären sie mittlerweile verstorben. Man fühlt sich an Kafka erinnert, während man von dem mühseligen Prozessverfahren in Polen liest.
Bei seinen Nachforschungen erfährt der Autor zwar kaum etwas über seinen Großvater und dessen Eltern, dafür stößt er auf einen bisher unbekannten Cousin seines Großvaters. Dieser, ein gewisser Abraham Kayzer hat als jüdischer Zwangsarbeiter am Projekt Riese mitgearbeitet und darüber ein Tagebuch geschrieben. Vom Projekt Riese hatte ich zuvor noch nie gehört. Es bezeichnet ein gigantisches Bauvorhaben der Nazis, ein riesiger Komplex unterirdischer kilometerlanger Stollen im schlesischen Eulengebirge. Wozu diese Anlage dienen sollte, darüber herrscht noch keine endgültige Klarheit. Ob sie als Führerhauptquartier gedacht waren oder als Labore für Wunderwaffen oder als Versteck für erbeutete Schätze? Spekulationen gibt es zuhauf. Heute ist es Ziel von „ Schatzsuchern“, polnischen Männern und Frauen, die auf der Suche nach Nazi-Souvenirs oder Schätzen unterwegs sind. Auf eine solche Gruppe stößt Menachem Kaiser bei seinen Recherchen und die wiederum führen ihn zu seinem unbekannten Verwandten. Dessen Lagertagebuch gilt als „ Bibel“ der Schatzsucher und Abraham Kayser als mythische Figur bei ihnen.
Das Buch ist voll von solchen unglaublichen Begegnungen und Wendungen.
Daneben reflektiert der Autor aber beständig sein eigenes Tun. Was bedeutet die Rückforderung gestohlenen Eigentums? Wie kann historisches Unrecht korrigiert werden und kann es das überhaupt? Besteht unser Erbe nicht eher aus immateriellen Werten und ist der Verlust von familieneigenen Traditionen nicht ein viel größerer als der eines Hauses?
„ Kajzer“ ist auch ein Buch über Erinnerung. „ Familiengeschichten sind schlechte Geschichtsbewahrer: Sie sind bruchstückhaft, schlecht dokumentiert, verzerrt durch Hörensagen, Annahmen, Legenden…Sie erzählen keine historische Wahrheit, sondern eine emotionale Wahrheit.“
Darüber schreibt Menachem Kaiser klug, sachlich und reflektiert, sehr ehrlich auch sich selbst gegenüber. Er wechselt zwischen Schilderungen und philosophischen Überlegungen. Dabei hätte die eine oder andere Abschweifung etwas kürzer ausfallen dürfen. Die Passagen, bei denen er aus dem Tagebuch seines neu entdeckten Verwandten zitiert, sind dagegen sehr berührend.
„ Kajzer“ ist ein sehr persönliches Erinnerungsbuch, das neue Perspektiven und Denkanstöße liefert.




von Ruth - 2023-09-30 17:23:00

sehr spannend - 5 Sterne

Das Cover des Buches war für mich eher nichtssagend, aber umso mehr hat mich der sehr interessante Inhalt des Buches überrascht. Es ist natürlich eine Spurensuche der Familie Kaiser, aber auch so viel mehr. Man erfährt ganz viel über Schlesien und dessen Geschichte, natürlich über die Familiengeschichte, aber auch über die juristische Vorgehensweise und wie dieser junge Mann immer mehr in diese Geschichte die ihm eigentlich so fern war, immer mehr hineingesogen wird und ihn selbst alles in den Bann zieht und fasziniert. Ich habe nicht das erwartet was dieses Buch beinhaltet und deshalb kann ich es allen Geschichtsinteressierten sehr empfehlen, da es auch sehr anschaulich und verständlich geschrieben wurde. Obwohl es ein Sachbuch ist, ist es voller Spannung und überraschender Wendungen und zieht den Leser in seinen Bann.
von v_im_wunderland - 2023-09-28 15:09:00

Erinnerungsbuch - 5 Sterne



Der kanadische Schriftsteller Menachem Kaiser schreibt jüdische Literatur.

Kajzer ist der Titel seines interessanten Sachbuch. Der Autor wollte keinen Roman schreiben, denn er will nichts verändern. Er schreibt ehrlich über seine Recherchen in Polen.
Sein Großvater war der einzige Überlebende seiner Familie. Sie wohnten im heutigen Polen. Er hatte versucht eine Entschädigung für sein Haus zu bekommen.
Der Autor hatte ihn nicht mehr kennengelernt, so erfuhr er erst spät davon.
Da er oft beruflich in Polen war versuchte er es jetzt. Nach den vielen Jahren ist das ein schwieriges unterfangen. Da musser erst die Urgroßeltern für Tot erklären lassen.
Dabei kommt er in Kontakt mit Schatzsuchern, denn in Bergwerken werden immer mal wieder Schätze gefunden.
Er erfährt sogar noch von einem Cousin seines Großvaters, der den Holocaust überlebt hatte. Von dem nicht einmal sein Vater wusste.
Es ist ein interessantes Buch, das mich fasziniert hat.
von begine - 2023-09-25 12:52:00

Den Spuren der eigenen Ahnen folgen - Eine emotionale Erinnerungs-Safari zurück nach Schlesien - 3 Sterne

In seinem aktuellen Sachbuch "Kajzer - Mein Familienerbe und das Abenteuer der Erinnerung" macht sich Menacham Kaiser auf und folgt den Spuren seiner Ahnen.

In einer ganz besonderen Mission macht sich Kaiser auf nach Polen besser gesagt nach Schlesien, um dort eine ehemals im Besitz der Familie befindliche und durch die NS-Herrschaft enteignete Immobilie ausfindig zu machen und den damals verlorenen Besitz zurückzuholen. Ein wie man sich vielleicht bereits denken kann nicht ganz leichtes Unterfangen.

Das ehemals enteignete Haus ist vielleicht der Ausgangspunkt des Abenteuers, aber vielmehr geht es Kaiser vor allem auch darum, seinem Großvater, den er nie persönlich selbst kennenlernen durfte, nachzuspüren.

Welche Geheimnisse Kaiser im manchmal mysteriösen Schlesien zu Tage fördert und welche Abenteuer auf ihn warten, möchte ich hier nun nicht verraten.

Vom Konstrukt und Teasertext her klingt das Buch umheimlich spannend und gerade solche Bücher, bei denen Personen mehr über ihre eigenen Ahnen erforschen möchten interessieren mich ganz besonders stark, da auch ich persönlich bestimmte Fragen habe, auf die ich in meiner Familie leider keine Antworten mehr finden werde.

Beim Lesen selbst zeigt das Werk allerdings Licht wie auch Schattenseiten.

Die Glanzpunkte des Buches sind für mich persönlich jeweilig die, bei denen Kaiser sehr stark den damaligen Spuren seiner Ahnen folgt.

Wie es bei einer solchen Suche häufig allerdings auch ist, kommt man vielleicht auch ab und an auf den Holzweg. Der Mittelteil rund um die zahlreichen Treffen mit den Schatzsuchern in Schlesien war für mich sehr langatmig gestaltet und wich für mich persönlich auch zu sehr vom ursprünglichen Thema ab. Auch wenn diese Art Schatzsucher für Schlesien bekannt sind und dieser Teil eben in die damalige NS-Zeit zurückblicken lässt lenkte es mich persönlich zu stark ab. Hier hätte ich es persönlich besser gefunden, die emotionale Familiengeschichte noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken und weiter voranzutreiben.

Der stärkste Teil ist für mich das Finale des Werkes, dass uns dann hoffentlich alle die damaligen Schicksale nochmals erinnern und vor allem nicht vergessen lässt.

Chapeau an Menacham Kaiser, dass er die sehr emotionale und vor allem persönliche Geschichte seiner Familie mit uns Lesenden teilt. Gerade solche Erzählungen sind es, die uns allen zur Mahnung dienen sollten.
von Frechdachs - 2023-09-25 11:22:00

Spuren der Vergangenheit - 3 Sterne

Im äußerst spannenden und kurzweiligen Sachbuch erzählt Menachem Kaiser von seiner Suche nach der Vergangenheit seiner polnischen Vorfahren. Zunächst eher uninteressiert an seinem Großvater, steigert sich der Autor zusehends in eine obsessive Jagd nach Erinnerungen und Hinweisen auf seine Herkunft. Mehrere Reisen nach Polen, unzählige Gespräche und Spuren bringen nach und nach Licht in die nebelverhangene Geschichte seiner Familie. Was der Autor in Polen findet, erstaunt ihn und seine Leser. Wie in einem Krimi versucht der Bruchstücke zusammenzufügen, redet mit Hausbewohnern und Zeitzeugen, begibt sich mit modernen Schatzjägern an längst verfallene Orte oder kommt auch dem sagenumwobenen Projekt Riese ganz nahe, dass mit seiner mystisch-verkappten Surrealität auch Filme wie Indian Jones inspiriert hat. Immer mehr erfährt Kaiser über seine Familie, ihr Sterben während des Krieges, den Schrecken der Konzentrationslager, aber auch bewegenden Geschichten, die nur aus der Verzweiflung und Verfolgung erwachsen können. Menachem Kaiser gelingt es vorzüglich ohne Pathos seine Recherchen lebhaft zu schildern, ohne jedoch seine eigenen Zweifel und Beweggründe zu beschönigen. Das Buch erzählt vom Kampf gegen Bürokratismus und die Gerichtsbarkeit, aber auch von den Erlebnissen der wenigen Überlebenden des Holocaust. Die Auszüge aus einem Tagebuch eines entfernten Verwandten sind ein erschütterndes Zeitdokument. Kaiser schreibt sachlich, wo Sachlichkeit gefordert ist, lässt aber genügend Raum für Gefühle und Infragestellung. Handelnde Personen werden nicht verurteilt, sondern ihr Tun aus den parteilosen Augen des Betrachters geschildert. Genau wie der Autor auf seiner langen Reise, lernt auch der Leser viel Neues. Verständnis wird geweckt und der Wunsch nach mehr Informationen werden den geneigten Leser zu weiteren Nachforschungen anregen. Mir selber ging das Buch deshalb sehr nahe, weil meine Mutter auch im Krieg aufgewachsen ist, als quasi Vollwaise für ihre jüngeren Geschwister verantwortlich war und viele Jahrzehnte später die Wurzeln ihres Vaters gesucht hat. Auf einem Friedhof endete erfolglos die Suche.


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von Murksy - 2023-09-24 14:05:00