Rezensionen

Content
Roman

Autor: Hirschl, Elias

Erschienen 2024 bei Zsolnay, Paul, Verlag GmbH
ISBN 978-3-552-07386-9
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Absurdität auf den Punkt gebracht - 5 Sterne

Elias Hirschls "Content" gleicht einem Feuerwerk der Absurdität. Die Leser:innen folgen einer Ich-Erzählerin, die ihren Alltag in der Smile Smile Inc. beschreibt - eine Firma, tief verstrickt ins internationale Konzernwesen, die massenhaft Content produziert - Memes und Listicles über alles was unwichtig und sinnlos ist oder Youtube-Videos, die die Betrachtenden sehen lassen, wie Dinge von anderen Dingen zerstört werden (also ebenfalls sinnlos) - alles nur um Clicks zu generieren. Keiner der Mitarbeitenden scheint die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen, alle sind mutmaßlich gescheiterte Existenzen, die wohl das falsche Studium gewählt hatten. Manche, auch die Hauptprotagonistin, scheinen schön langsam den Verstand zu verlieren. Ungünstigerweise sitzt die Smile Smile Inc. auch noch in einer Kohleabbauregion, die sich, aufgrund der Jahrzehnte vorherrschenden Untertunnelung, langsam aufzulösen droht. Doch alles wird ignoriert, denn schließlich gilt es: "Nummer 7 wird sie zum Weinen bringen!"

Zum Weinen gebracht hat mich "Content" nicht, dafür musste ich mich kontinuierlich wundern: als Digital Immigrant über den Wortschatz, der in der Content-Creator-Welt vorherrscht (etliches musste ich googlen); über die Tatsache, dass vieles, was in diesem Roman geschildert wird, zwar maßlos überspitzt, trotzdem aber so extrem realitätsnah ist; darüber, wie wir Menschen unsere Welt zugrunde richten und trotzdem immer so weitermachen wie bisher; über die Frage, warum für uns Menschen Sinnlosigkeit heutzutage so existentiell zu sein scheint; über meine eigene Feststellung, dass ich nun wohl auch anfange, Listicles zum kreieren und schließlich darüber, wie nervig ein Buch eigentlich sein kann und gleichzeitig so grandios!

Hirschls Sprache ist rasant, passend zu der Thematik, scheinbar klopft er Wörter und Geschichten mit einer Geschwindigkeit heraus, die die Schnelllebigkeit in Überschall-Dimensionen hebt. Das Gelesene bereitete mir oftmals Kopfschmerzen - das Beobachten der Sinnlosigkeit und das Hineingerissenwerden in dieses atemberaubenden Tempo - das war teilweise so unerträglich, dass ich zwischendurch immer wieder pausieren musste. Das Erzählte wird von Seite zu Seite absurder, man fragt sich ständig, wohin das alles führen wird. Und doch hält die Story einen gefangen, ständig fragt man sich: wie kann sich diese Absurdität noch steigern, wie wunderbar ist diese nicht und wie schön sind auch die positiven Erfahrungen, die einige Protagonist:inen doch machen dürfen (um sie anschließend wieder auf den Boden der Realität zu holen, wenn auch versöhnlich). Der Autor hat eine Beobachtungsgabe für die Entwicklungen unserer Gesellschaft, vor der nur der Hut gezogen werden kann. Ich musste schon alleine deshalb zu Ende lesen, weil ich keine Vorstellung davon hatte, wie diese Geschichte wohl enden wird. Und es kam, wie es kommen musste: "Content" gipfelt in einem Finale, das standesgemäß mit einer Liste endet.

Mein Fazit: "Content" ist speziell. Es ist - nicht nur selbst beschreibend - eine Romansatire erster Klasse. Es ist sprachlich, thematisch und nervlich herausfordernd. Doch wer die Herausforderung annimmt, wird mit einem Leuchtfeuer der Absurdität - gepaart mit treffender Gesellschaftskritik - belohnt. Irgendwie ein Meisterwerk!

Zerrbild des Internetzeitalters - 5 Sterne

Bei Smile Smile Inc. setzt man auf Quantität anstatt inhaltlicher Qualität. Der Blick nach draußen, in ein still gelegtes Kohleabbaugebiet, ist ebenso zerstörerisch wie der nach innen. Um dem Irrwitz dieser Überproduktion von sinnlosen Listen und Zerstörvideos begegnen zu können, wird man am besten selbst wahnsinnig. Elias Hirschl überspitzt satirisch und bösartig eine Gesellschaft voller Listicles und ClickBaits und allzu bald bleibt Leser:innen das Lachen im Halse stecken.
von HEYNi Birgit Weitlaner - 2024-01-31 16:45:44

Elias Hirschl nimmt sich diesmal - wie gewohnt auf satirische Weise - die Generation ChatGPT vor und beschreibt eine mögliche Zukunft. Eine sehr schräge und interessante Geschichte! - 5 Sterne

von Martina Dienstl - 2024-01-30 16:58:30

Content - 5 Sterne

Nein -, es wäre absolut zu einfach diesen Roman als „NonsensLiteratur“ zu bezeichnen, wenngleich man sich auf weiten Strecken der Geschichte in schier kafkaeskem Irrsinn zu bewegen scheint und „ Nonsensliteratur“ auch keine Abwertung darstellen würde, denke man nur an die berühmten Vertreter dieses Genres im 20. Jahrhundert. Aber zurück zum Roman von Elias Hirschl: Content, übersetzt Inhalt, und das impliziert auch vorherrschende Inhaltslosigkeit, also Sinnleere, ergo Unsinn – Nonsens. Wenn man also das Umfeld, in dem der Roman handelt, mit der Zeit, in der die Geschichte spielt, nämlich jetzt, vergleicht, dann ist das für uns vorstellbare Morgen, bereits gestern. Hirschl entwirft in dieser Geschichte eine nachvollziehbare Kryptowirtschaft in einer Kryptogesellschaft, in der KI-generierte Digi-Social-Medias alles formt und beherrscht. Die neuen fake-news, also die neuen KI-fake-news, persiflieren unsere Existenz auf das Vollkommene. Achtung – sehr wichtig: alle neuen Begriffe des DigiSprech muss der Leser parat haben, sonst verirrt er sich im IT-Dschungel.
Alles in Allem aber sehr zu empfehlen, wenn man wenigstens mit einem Auge der neuen Welt noch folgen möchte.
von Reinhard Atzl - 0000-00-00 00:00:00