Rezensionen

Der Patriot
Thriller

Autor: Pascal Engman

Erschienen 2019 bei Tropen
ISBN 978-3-608-50365-4
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„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen." - 3 Sterne

„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen." S. 349

„Menschen mit abweichenden Ansichten werden als 'Schweine' oder 'Hunde' bezeichnet. Wissen Sie warum wir das tun?“
„Nein.“
Madeleine runzelte die Stirn.
„Um zu entmenschlichen“, fuhr Sandberg fort. „So erklären sich die Wissenschaftler, wie augenscheinlich mental gesunde deutsche Männer und Frauen als Aufseher in den KZs arbeiten konnten. … Die Opfer werden nicht als Menschen betrachtet, sie werden nicht bei ihrem Namen genannt, und es wird auch sonst alles getan, um sie nicht als gleichwertig anzusehen. Das ist ein unbewusster Prozess, ein Mechanismus, um sich vor Gewissensbissen zu schützen.“ S. 157
„Also, was Menschen dazu bringt, zum Terroristen zu werden, darüber gehen die Meinungen auseinander. … Aber der erste Schritt besteht darin, sich bedroht und seiner Freiheiten beraubt zu fühlen. Sei dies tatsächlich der Fall oder nur eingebildet. Im nächsten Schritt überzeugt man sich davon, dass diese Bedrohung der Freiheit ein von anderen geschaffenes Konstrukt ist, und folgert daraus, dass die Bedrohung aufhören kann. Die Situation ist also nicht zwangsläufig hoffnungslos. Und schließlich muss der Betreffende selbst glauben, dass Gewalt der einzige Weg ist, um an der Situation etwas zu ändern und der Bedrohung ein Ende zu machen.“ S. 158

In Stockholm werden kurz nacheinander mehrere Journalisten ermordet, die zuvor für verschiedene Zeitungen positiv über die Integration von Flüchtlingen oder gegen Rechtsextreme geschrieben hatten. Doch bald werden diese Ereignisse in den Schatten gestellt von einem bestialischen Anschlag…

Mich nervt der Stil, reihum im Wechsel zu den verschiedenen Protagonisten zu gehen: da ist Madeleine, Journalistin in Stockholm, Carl, einer der Täter (ja, das wird gleich zu Beginn ausgesprochen), Ibrahim, ein Stockholmer Taxifahrer mit syrischen Wurzeln, und August, ein schwedischer Ex-Fremdenlegionär in Südamerika. Jedes der Kapitel endet mit einem Cliffhanger, der dann erst vier Kapitel später aufgelöst wird, um in den nächsten Cliffhanger zu münden. Ich mag es spannend, aber das empfand ich als Nötigung – ich war kurz davor, aufzugeben, und habe dann nur die Kapitel mit August vorausgelesen, dann den Rest ohne August.

Dazu sind die Handlungsstränge speziell: Madeleine ist eine manipulative Zicke, die niemanden leiden kann, ihrem Papi gefallen will, der sie aber gegenüber Zweitfrau und Zweitkindern hintan stellt. August arbeitet als Leibwächter für einen russischen Waffen- und Drogenhändler und ist bereit, für diesen zu töten. Carl als Täter serviert mit seinen Bundesgenossen einen kruden Mix an Theorien, ist aber sonst verwöhntes Söhnchen aus reichem Haus. Einzig Ibrahim wirkt wie jemand, mit dem man gern zu tun hätte. Die Vereinfachung der Täterseite wird meines Erachtens dem Thema nicht gerecht: das wäre ja so einfach, die Identifikation, das Feindbild - doch leider sind das häufig ganz normale Menschen, die mich in den letzten Monaten mit Aussagen schockiert haben (Stufe 1!). Selten habe ich Wörter mit F, die sich auf „Kotze“ reimen, in solcher Häufigkeit gelesen, gerne im Zusammenhang mit aufschlitzen oder vergewaltigen. Wichtig wäre mir der Umgang mit den „Stufe – 1 – Menschen“ gemäß des obigen Zitats.

Dann kommen die mir zu konstruiert, zu plakativ wirkenden Teile: Das Konstrukt, dass ein Anschlag von einem unfreiwilligen „Guten“ durchgeführt wird, wobei die Planung dazu für mich nur von Schwachstellen wimmelt. Ganz ernsthaft, wenn man dem Fremdenhass begegnen will, muss man sich auch offen damit auseinandersetzen, dass es NATÜRLICH genauso kriminelle oder radikalisierte Einheimische wie Fremde gibt, alles andere ist Mumpitz. Nicht ganz verstanden habe ich, warum der laaaange Teil mit August in Südamerika eingebaut wurde, der auch nicht gerade sehr appetitlich ist; sollte das „Ex-Legionär“ noch deutlicher buchstabieren (der kann schießen und kämpfen)? Wozu nützt die Schwangerschaft von Madeleine? Warum interessiert sich Madeleine nach dem Essen im Hotel nicht mehr für ihren verletzten Vater? Bekommt man als Schwede illegale Waffen ausgerechnet nur in Südamerika, im Bereich eines anderen Schweden, dem man dann daheim wieder begegnet? Wer riskiert etwas, bei dem der eigene Tod einkalkuliert ist, ohne Rückvergewisserung, dass das eigene Kind dadurch wirklich überlebt, was man ja tot nicht mehr überprüfen kann? Wenn das Täter(Ferien-)haus durchsucht wird, müsste man ja die DNA der Geisel finden, die dann nicht mehr genau der entgegengesetzten politischen Richtung zugeordnet werden könnte, Islamist und Islamophob, das geht nicht gleichzeitig.

Der Schreibstil gefiel mir (besser als der Aufbau), die Idee fand ich gut, einige Zitate top. Ansonsten ist das leider arg konstruiert. 3 Sterne.
von StefanieFreigericht - 2019-04-15 08:23:00

Erschreckend, grausam und seelenlos - 4 Sterne


Ein Buch ohne einen Funken Hoffnung, deprimierend, grausam, erschreckend, dabei irgendwie merkwürdig. Ja, in der Tat, merk-würdig. Merkwürdig in seiner Mischung aus brutalsten Thriller-Anteilen und den Versuchen des Autors, die äußerst aktuellen Themen des rechtslastigen Populismus, des Terrorismus und der zunehmenden Radikalisierung in seinen Ursprüngen und Auswirkungen nachvollziehbar darzustellen, gefällig verpackt in teils ausufernden Nebenstories. Dies ist ihm sehr uneinheitlich gelungen, wie ich finde.
Worum geht es? „In Stockholms Zeitungsredaktionen regiert die Angst. Drohungen gehören zum Alltag, populistische Meinungsmacher verschärfen die aufgeheizte Stimmung noch. Als eine junge Journalistin, die strikt für Meinungsfreiheit eingetreten ist, kaltblütig ermordet wird, werden die schlimmsten Befürchtungen plötzlich real. Nur Madeleine Winther, eine junge aufstrebende Nachrichtenredakteurin, bleibt davon merkwürdig unberührt und plant stattdessen ihre nächsten Schritte auf der Karriereleiter. Doch auch sie muss sich der Realität stellen, denn es bleibt nicht bei diesem einen Opfer. Der Täter, Carl Cederhielm, will Rache nehmen an allen, die dazu beitragen, dass seine Heimat Tag für Tag von Flüchtlingen überschwemmt wird. Sein Ziel sind die Medien, und gemeinsam mit zwei Gleichgesinnten eröffnet er die Jagd auf Journalisten. Es scheint, dass niemand die schwedischen Terroristen aufhalten kann. Doch dann taucht ein neuer Akteur auf der Bildfläche auf, der zum Äußersten entschlossen ist.“
Der Autor versteht es über die Maßen gut, Thriller-Spannung aufzubauen. Besonders packend gelingen ihm die Schilderungen der extrem grausam-brutalen Szenen. Kurze Kapitel mit regelmäßig eingesetzten Cliffhangern tun ihr übriges. Wem es um spannende Thriller-Lesemomente geht, wird mit diesem Buch perfekt bedient. Jedoch schwächelt das Buch in einem wichtigen Bereich der Schreibekunst, nämlich in der Darstellung der Protagonisten. Der Autor ist nicht in der Lage, Menschen aus ihrem Inneren heraus und psychologisch nachvollziehbar zu schildern. Er beschreibt im Grunde nur ihr Handeln, nicht ihr Fühlen. Nicht einmal körperlicher Schmerz wird für den Leser nachfühlbar geschildert, geschweige denn seelisches Leid. Es fehlt an Emotionen, die den Leser wirklich ins Buch hineinziehen würden. Die Menschen bleiben blutleer, die Handlung nüchtern-sachlich. Nicht immer sind die Handlungsstränge logisch aufgebaut und bis zu Ende erzählt. Zu viele Teile der Geschichte verlaufen im Unbedeutenden. So gibt es allerlei Abschnitte, die sich sperrig, fast zäh, lesen lassen. Falsch verstandener Patriotismus, Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierung – der Autor will uns sicher diese aktuellen Themen, die jeden von uns angehen, in seinem Buch erschreckend nah bringen, scheitert aber meiner Meinung nach an seiner nüchtern-seelenlosen Schreibe.

von heinoko - 2019-04-05 09:13:00

Entsetzlicher Politthriller - 2 Sterne

DER PATRIOT von Pascal Engman ist ein Politthriller. Bei aller folgender Kritik muss man Engman für sein Erstlingswerk zu gute halten, dass er sich als ehemaliger Journalist einem sehr brisanten und gefährlichen Thema und einem Berufsumfeld gewidmet hat, dem er früher selber angehört hat.
Engman hat in der Tradition seiner skandinavischen Krimikollegen, wie Jussi Adler Olsen oder Jo Nesbø ein aktuell brisantes Thema, wie zB. 9/11 in NY oder die kriminelle Bettlerorganisation in Dänemark aufgegriffen: Eben das Flüchtlingswesen in Schweden, vereinfacht ausgedrückt: Aus der Sicht der Opfer und Täter. Beim Lesen merkt man, dass dieses Thema Engmann „unter den Nägeln gebrannt“ hat, es war ihm eine
Herzensangelegenheit diesen Politthriller zu schreiben.
Der Thriller mit seinen fast 470 Seiten lässt sich grob in vier Handlungsstränge gliedern: 1. August, 2. Ibrahim der Taxifahrer, 3. Madelaine und 4. Carl.
Ein wesentliches Merkmal des PATRIOT ist seine exzessive Brutalität und ich vermute, dass es Engman mit dieser massiven Häufung von Tötungen um eine stilistische Verstärkung seiner Aussage gegangen ist. Für mich ist es eher abschreckend, dass jedes Problem mit einer „Kopfschuss“ gelöst werden kann. Zur Frage, wie realitätsnah oder -­‐fern ist der PATRIOT? Da
ich die übliche Klausel „...die beschriebenen Personen, Begebenheiten, Gedanken und
Dialoge sind fiktiv“ nicht gefunden habe, nehme ich einen sehr hohen Realitätswert an. Das ist sehr erschreckend. Tickt Schweden oder die Schweden so? Aus meiner eigenen Erfahrung aus einem Aufenthalt in Ystad in Südschweden: Eine schwedische Familie (der Mann) wollte sich in einem Restaurant nicht von einer weißen Kellnerin (Mitteleuropäerin), die kein Schwedisch spricht bedienen lassen. Ihr Deutsch und Englisch reichten dem Mann nicht aus,
sprechen doch alle Schweden von klein auf Englisch als Zweitsprache. Was macht die
deutsche Gastronomie ohne die Massen aus China? Es gibt keinen Chinesen, der sich nur
von einem Chinesen bedienen lässt.
Alle Klischees der Rechtsextremisten werden bedient. Es liest sich wie ein Handout „Wie
werde ich ein Rechtsextremist?“ Carl ist krank im Kopf. Carl ist ein "aufrechter Schwede", er fährt einen VOLVO. Vielleicht sollte er wissen, dass VOLVO den Chinesen (gelb und schlitzäugig) gehört.
Meine Kritik bezieht sich auf manch dumpfe Dialoge wie „... wir finden sie und bringen sie um“, „... in zwei Wochen haben wir mehr für dieses Land getan als jeder Politiker, ... aber ich muss kurz aufs Klo“, „... damit uns die Muslime nicht umlegen“, „...die letzten Tage waren für jeden Einzelnen aufreibend gewesen“ (Carl) Na das Killen kann einen schon aufreiben.
Journalistentussis quatschen von Arbeiter-­‐ und Oberschicht. Sie glauben doch nicht etwa sie gehörten zur Oberschicht.
Die arme Madeline ist völlig aufgelöst, und das kann einer "echten Schwedin" nun mal
passieren.
Der Schluss bringt Spannung, aber das Ende ist wahrlich konstruiert. Der Held stirbt den
Heldentot, wie in einer griechischen Tragödie.
Im Normalfall hätte ich das Buch nach 100 Seiten im Altpapiercontainer entsorgt. DER PATRIOT wird auch keinen Platz in meiner privaten Bibliothek finden, sondern ich werde das Buch in einer öffentlichen
Buchsammlung „ablegen“.
Kann das Buch nicht empfehlen. Denis Scheck würde das Buch über die schräge Rutsche in
den Abfalleimer gleiten lassen.
von Manfred Fürst - 2019-04-04 21:30:00

Alles nur Lügenpresse? - 4 Sterne

August Novak, ehemaliger Fallschirmjäger der Fremdenlegion ist ein Mörder mit einem ganz großen, weichen Herz. Jetzt lebt er mit seiner Freundin Valeria Guevara in Chile. Aber ein Teil seines Herzens ist immer noch bei einer Frau in seiner Heimat Schweden.
Ibrahim Chamsai lebt seit vielen Jahren mit seiner Frau Fatima in Stockholm. Ihre Tochter Mitra studiert und will Anwältin werden.
Carl Cederhielm, ein ehemaliger Küstenjäger und seinen Freunden Fredrik Nord und Lars Nilson gefällt die derzeitige Lage in Schweden überhaupt nicht.
Und dann ist da noch Madaleine Winther …

Selten hat mich ein Buch ab der ersten Seite so gefesselt und in Atem gehalten wie Der Patriot. Carl Cederheim und seinen beiden Freunden sind die Stockholmer Lügen-Journalisten ein Dorn im Auge, der gezogen werden muss. Und so beginnen Sie mit einer Mordserie, in die auch Unschuldige mit hineingezogen werden.

Da ich mit heftigem Mord und Totschlag auch beim Lesen nicht so gut umgehen kann, sind hier einige sehr brutale Szenen, über die ich recht zügig drüber gelesen habe. Vor allem, was August in Chile erleben muss bzw. selbst veranstaltet – einfach krass und unglaublich.

Relativ kurze Kapitel springen wechselnd von einem Protagonisten zum andern, von einem Ort zum andern und fordern beim Lesen dauerhaft meine Konzentration, erhöht aber auch die Spannung immer weiter.

Sehr realistisch ist die Geschichte um den Serienkiller geschrieben. Solche Menschen kann es aber nicht nur in Schweden geben, sondern auch bei uns, wie man ja schon mehrfach erfahren hat. Nicht immer sind die arabischen Flüchtlinge die Radikalisierten. Und die Pressefreiheit wird auch nicht immer nur als wahrheitsgemäße Information genutzt. Mich wundert es da nicht, wenn nicht nur Rechtsdadikale das Recht des Landes in die eigenen Hände nehmen und die Presse anfeinden. Dass hat der Autor in seiner Profession als Journalist selbst zu spüren bekommen.

An manchen Stellen wirkt die Geschichte, die insgesamt sehr dicht ist, etwas an den Haaren herbei gezogen. Auch dass sich die schwedische Polizei kaum an Ermittlungen teilnimmt bzw. meist gar nicht vorhanden ist, kann ich mir in diesen Zusammenhängen nicht vorstellen.

Alles in allem habe ich einen spannenden und interessanten Thriller gelesen, der auch zum Nachdenken anregt.
4,5 von 5 Punkten
von gaby2707 - 2019-02-15 12:04:00