Rezensionen

Mutternichts

Autor: Vescoli, Christine

Erschienen 2024 bei Müller, Otto, Verlag Ges..m.b.H. & Co. KG
ISBN 978-3-7013-1314-3
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sehr tiefgründig - 5 Sterne

Dieses Buch ist sehr ergreifend. Das Cover ist eher schlicht gehalten, doch es passt meiner Ansicht nach sehr gut zu dem Inhalt des Buches. Die Geschichte handelt von dem "Verschwinden" der Mutter und all ihrer Vergangenheit und Geschichten. Es geht um die Vergangenheit der Mutter und den eigenen Zusammenhängen. Dieses Buch beinhaltet ein sehr schweres Thema über das man sehr wenig spricht oder sich Gedanken macht, da es so schwer ist und man lieber die Augen davor verschlossen hält. Dieses Buch hat mich selbst zum Nachdenken angeregt und mir eine tiefgründige Auseinandersetzung ermöglicht. Ich finde den Schreibstil der Autorin sehr gut und sehr passend. Ich kann es sehr empfehlen, aber vielleicht ist es nicht für jeden Leser geeignet, dies sollte man auf keinen Fall außer Acht lassen, bevor man die Lektüre beginnt und sich dem Buch annimmt.
von inya - 2024-03-05 14:18:00

Auf den Spuren der Mutter - 3 Sterne

Die Mutter ist gestorben und die Tochter macht sich auf die Suche nach der Geschichte hinter den Geschichten, die die Mutter erzählt hat. Es ist auch die Suche nach dem „Nichts“, das die Mutter immer wieder überkommen hat.
Es ist aber keiner mehr da, den man fragen könnte. So muss sich dich Tochter aus den wenigen Fragmenten, die ihr blieben, Bilder, Bemerkungen, kleine Hinweise begnügen und kann nur mutmaßen, wie es wirklich war. Die Mutter hatte nur erzählt, dass es ihr gut ging, dort, wo sie war. Die Wahrheit dahinter hat sie nie erzählt. Es ist im Nichts verschwunden.
Das Thema ist spannend, eine Spurensuche nach dem Leben der Mutter, die als 4-jährige weggeben wurde. Damals nicht unüblich, wenn es zu viele Kinder waren und das Geld nicht reichte. Aber warum sie als einzige? Und warum nahm man sie nicht zurück als es aufwärts ging?
Leider konnte mich die Erzählweise nicht wirklich begeistern. Die Sprache passte für mich nicht ganz zur Geschichte. Sehr poetisch, aber für mich an manchen Stellen etwas zu bemüht literarisch. Und auch die Geschichte dreht sich zu sehr um sich selbst. Es ist, gepaart mit der nicht einfach zu lesenden Sprache, oft recht schwierig, dem Erzählverlauf zu folgen. Wenn da die weitschichtige, zahlreiche Verwandtschaft auf einem Foto bis ins Detail erklärt wird, steigt man irgendwo aus. Zu viele verschiedene Lebensgeschichten, die verschwimmen und die man nicht auseinander alten kann. Eine Suche, die zu keinem Ergebnis kommt und bei der sich auch nicht ganz erschließt, was uns die Autorin sagen will.
Mich hat Mutternichts nicht wirklich überzeugt.
von Petris - 2024-03-02 08:27:00

Nirgends ganz zugehörig - 4 Sterne

Mutterbücher gibt es viele. Das wundert nicht, ist das doch ein Thema, das viele bewegt.
Das besondere an Mutternichts ist die Sprache, die zwar einfach gehalten ist, aber doch sehr präzise.
Die Erzählerin denkt die ganze Zeit an ihre verstorbene Mutter. Sie beschäftigt sich mit den Leerstellen im Leben der Mutter, die schon als 8jähriges Kind bei Bauern hart arbeiten musste, da es in der Familid wenig zu Essen gab.
Die Mutter ist 1940 geboren, hat karge Zeiten erlebt.
Auf der Suche fährt die Erzählerin sogar selbst erstmals auf diesen Hof, und sie sieht sich Familienfotos an. Es wid die Recherche eines Lebens und dabei geht sie auch weiter in Vergangenheit bis zu den Vorfahren.
Manche Passagen sind bedrückend, doch der Text behält immer eine eindringliche Atmosphäre.

Es ist ein typisches Buch vom Otto Müller Verlag. Von Außen klein und schmal, der Inhalt aber ist gewichtig und Wert, erzählt zu werden.
von yellowdog - 2024-03-01 15:44:00

tiefgründig, poetisch, aber unstrukturiert - 3 Sterne

tiefgründig, poetisch, aber unstrukturiert

Der erste optische Eindruck ist gut, ich finde das Cover schön designed und gelungen.
Man darf sich dann aber im Buch selber von dem unstrukturierten und leicht wirren Schreibstil nicht abschrecken lassen - dieser ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig. In den Texten wird zeitlich hin und her gesprungen.

Der ICH Erzählstil hingegen gefällt mir und passt auch gut für dieses Buch.
Eine Frau – eine Mutter – ist die Protagonistin. Die Tochter versucht etwas über ihre stille Mutter und ihr Leben zu erfahren.
Eine wirklich traurige Erzählung.

Auch poetisch und philosophisch ist das Buch - das poetische gefällt mir, das philosophische war mir für meinen Geschmack schon eine Spur zu viel.

Somit konnte mich das Buch inhaltlich durchaus überzeugen, jedoch vom Schreibstil her nicht so ganz. Das Buch bringt einen aber durchaus zum Nachdenken und berührt beim Lesen.


von book_love - 2024-03-01 14:59:00

Eine sprachgewaltige, filigrane Aufarbeitung einer Mutter-Tochter Beziehung - 5 Sterne

Selten habe ich in einem Buch so viele Stellen markiert, die man sich in Erinnerung halten möchte. Und selten wie nie tue ich mich schwer, diesen wunderbaren Roman zu besprechen. Über derart persönliche Romane zu schreiben ist nicht einfach, Interpretationen könnten vielleicht falsch gedeutet werden und schon stehen diese Zeilen in einem anderen (ungewollten) Licht.

Es geht um die Mutter der Ich-Erzählerin in diesem autofiktionalen Roman. Um deren Leben. Darum, was nach deren Tod zurückblieb. Ein Nichts. Eine Leere. Vor allem nur ein marginales Wissen über das Leben der Mutter. Wo sind bzw. waren die Gemeinsamkeiten, Verknüpfungspunkte? Diese werden hier Zeile für Zeile gesucht, aufgearbeitet. Die Autorin erschafft sich einen Zugang, möchte dieses Vakuum füllen, verstehen, sichtbar machen.

S.13: „Was von Mutter unsichtbar war. Ich hatte es vor Augen und konnte es nicht sehen. Es ist das von Mutter unsichtbar Gemachte. Eine Lücke mitten im Leben. Der Nebel mitten im vergilbten Bild. Ein Nichts, das da ist.“

Im zarten Alter von acht Jahren wurde die Mutter damals von zu Hause weggegeben, als „Dirn“, um an einem anderen Hof zu arbeiten. Die Armut war damals groß in den Südtiroler Bergen, die Familien oftmals kinderreich. Warum sie, und kein anderes Kind? Ihr Aufwachsen war traurig, kalt. Immer von einer Härte begleitet. Und sie vergaß ihre Kindheit nicht.

S.122: „Sie hatte eine schlimme Kindheit da oben auf dem Hof, einem düsteren Ort. Da gab es nur Arbeit und die böse Bäuerin. Es war hart da oben, schrecklich hart.“

Wenig sickerte durch in all den Jahren. Erinnerungen, spärliche Anekdoten, Fotos. Ihre Mutter liebte das Wort und Gedichte, doch mehr als ein paar Erzählungen blieben nicht übrig.

“Als würde die Geschichte schmutzen.”

Es ist nicht viel da, um das präsente Nichts aus dem vergangenen Leben der Mutter zu füllen. Was war der Wesenskern in der Mutter-Tochter-Beziehung? Wen hat die Tochter tatsächlich verloren?

Sie macht sich auf die Suche, besucht die Orte, an welchen ihre Mutter als „Dirn“ abgegeben wurde. Doch um auf das Wesentliche zu stoßen, muss letztendlich die Vergangenheit noch weiter zurück verfolgt werden in der Ahnenlinie. Sie findet nur weitere in Armut gebettete Schicksale.

Das Buch ist ein beeindruckender Debütroman, voller Bilder – hart gezeichnet, ohne Beschönigungen. Die Sprache ist sehr gewählt, jedes Wort sitzt perfekt, keines ist zu viel. Der Text entwickelt einen Sog, der einen über die Seiten zieht, obwohl ein Innehalten und bedachtes Lesen von Nöten wäre. Ganz große Erzählkunst ist das für mich. Man wird von Anfang an hineingeworfen in dieses „Nichts“, welches nach und nach Formen annimmt, sich zu einer Aufarbeitung einer Familiengeschichte entpuppt und dennoch ein filigranes Sprachstil über eine vorsichtige Annäherung an die Vergangenheit bleibt.
Mit anderen Worten: Lest das Buch! Grandioses Lesevergnügen und absolute Leseempfehlung dieses Romans von Christine Vescoli.
von MarcoL - 2024-02-27 16:09:00

Der Blick ins Nichts ... und in die Vergangenheit - 3 Sterne

Ich bin hin und hergerissen von diesem Buch. Christine Vescoli schreibt hier über die Beziehung einer Tochter zu ihrer Mutter sowie von der schwierigen Vergangenheit ihrer Mutter. Die Mutter hatte ein hartes Leben, eine Kindheit voller Entbehrungen und schwerer Schicksale. Vieles davon blieb jedoch ein Leben lang unausgesprochen. Nach dem Tod der Mutter macht sich die Tochter auf die Suche nach der Vergangenheit und Antworten auf die nie beantworteten Fragen.
Das Buch ist sehr leise und poetisch geschrieben, was mir einerseits sehr gut gefällt. Dennoch tat ich mir stellenweise etwas schwer damit.
Vieles an dem Buch gefiel mir sehr gut und ließ mich nachdenklich zurück.
Was wissen wir eigentlich über die Vergangenheit unserer Mütter und Vorfahren?
Wie viel bleibt für immer ungesagt?
Oft bleibt einfach nichts ...
Ein nicht ganz einfaches und auch trauriges Thema ...
von Klee - 2024-02-19 09:34:00