Rezensionen

Kraft zum Widerstand
Glaubenszeugen im Nationalsozialismus. Mit Biographien über Franz Jägerstätter / Jakob Gapp / Josef Mayr-Nusser / Engelmar Unzeitig / Franz Reinisch / Carl Lampert / Otto Neururer / Johann Gruber / Clemens August von Galen / Angela Autsch

Autor: Manfred Scheuer

Erschienen 2017 bei Tyrolia
ISBN 978-3-7022-3632-8
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Genial! - 5 Sterne

von Mag. Martina Weitlaner - 2018-05-26 14:28:00

Glaubenszeugen in der NS-Zeit - 5 Sterne

In gesammelten Predigten, Betrachtungen und Meditationen stellt Scheuer Glaubenszeugen vor, die einen Bezug zu den Diözesen Innsbruck und Linz – beides sind Wirkungsstätten von Scheuer - haben. Zunächst werden Kurzbiographien der Märtyrer dargeboten, ehe ihr Weg des Glaubenszeugnisses nachgezeichnet wird. Doch Scheuer bleibt dabei nicht bestehen. Es geht ihm auch darum, Impulse für unsere Zeit aus den Lebenszeugnissen zu formulieren. Dabei dürfe es nicht darum gehen, banal die Situation der totalitären Regime, in der die Märtyrer lebten, mit der Zeit heute zu vergleichen. Aber dennoch gelte es zu fragen: Was kann das Leben und Tun der Märtyrer uns zeigen, wofür Zeugnis geben, wozu motivieren?
Das Leben und Martyrium der vorgestellten Persönlichkeiten ist vielfältig: Jägerstetter (zu dem es mehrere Texte gibt), der durch den Gewaltverzicht und die Verwirklichung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit zeigt, dass Friede möglich ist. Neururer, der die Nazi-Ideologie als "falsches Bewusstsein" verurteilte. Gapp, der seinen Schülern die "Liebe zu allen, gleich welcher Rasse und Religion, und auch zu den Feinden" lehrte und zu sozialem Engagement für die universale Versöhnung aufrief. Der Provikar Lampert, den die Nazis als Provokateur wahrgenommen haben. Unzeitig, der wegen seiner seelsorglichen Tätigkeit und der Pflege von Typhuskranken (er starb dann selbst an der Krankheit) als "Engel von Dachau" bezeichnet worden ist. Mayr-Nusser, der den SS-Eid verwehrt hat und so als "Dolmetscher Gottes in einer Zeit der gott- und menschenverachtenden Barbarei" Zeugnis gab. Von Galen, der als "Anwalt der Menschenrechte" zu einem Modell für den wahren christlichen Mut geworden ist. Reinisch, der seinem Gewissen folgend den Fahneneid verweigert hat. Gruber, der sich im KZ um besonders geschwächte Häftlinge kümmerte, eine "Lagerschule" gründete und als Seelsorger tätig geworden ist. Und schließlich Sr. Autsch, die offiziell wegen "Beleidigung des Führers" verhaftet worden ist und für ihre Mitgefangenen zur Fürsprecherin und Seelsorgerin geworden ist.
Und so werden die Texte zu einem Beitrag einer Theologie nach Auschwitz - vielleicht besser sogar noch: zu einer Theologie aus Auschwitz. Denn die Zeugnisse sind kontextualisiert in eine Situation, in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Rasse, ihrer körperlichen Einschränkung, ihrer politischen Einstellung oder eben auch aufgrund ihres Glaubens verfolgt, diskreditiert und hingerichtet werden. Eine Situation, in der die Häftlinge selbst ständig mit dem Tod konfrontiert und davon bedroht waren. Wie kann man angesichts dieser Situation den barmherzigen und allmächtigen Gott bekennen? Wie kann es gelingen, in dieser Situation, den eigenen Prinzipien treu zu bleiben und nach ihnen zu handeln? So schwer uns eine Antwort auf diese Frage fällt - die Biographien der vorgestellten Märtyrer können eine Ahnung davon geben, wie eine solche Antwort aussehen, und gleichzeitig Kraft zum Widerstand aus dem Glauben heraus geben kann.
von Helu - 2017-11-21 17:13:00

Sei getreu bis in den Tod.... - 5 Sterne

Sei getreu bis in den Tod.....

Das Arbeitsfeld Manfred Scheuers beinhaltet schwerpunktmäßig seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Ideologie der NS-Zeit. In diesem Kontext entstand das vorliegende Büchlein; Scheuer stellt 10 Personen vor – darunter drei kirchlich engagierte Laien-, die wegen ihres im katholischen Glauben verankerten Denkens und Handelns von der SS inhaftiert und durch nationalsozialistisch eingestellte Richter zum Tode verurteilt wurden oder in einem der vielen Kzs umkamen.
Bevor der Leser das zur Verurteilung und zum Tode führende Verhalten einer jeden Persönlichkeit liest, erhält dieser mittels einer jeweils vorangestellten Biographie einen Einblick in deren individuellen Lebensweg.
Die Triebfeder aller Entscheidungen gegen die Weltanschauung des Nationalsozialismus war das Gewissen, der Ort der Begegnung mit Gott (25).Es bestimmte je nach Situation die Entscheidung, Kriegsdienst und Fahneneid zu verweigern, öffentlich gegen Hitler zu reden, den NS-Staat eine Irrlehre zu nennen (44), von der Kanzel herab deutlichst auf das Töten alter und schwacher Menschen und die Judenverfolgung einzugehen, in den Lagern mit anderen Insassen das wenige Brot zu teilen, ja sogar die Peiniger gemäß der von Jesus vorgelebten Feindesliebe zu achten und ihnen zu verzeihen.
So handelnde Menschen wurden in jener Zeit zu Märtyrern ihres Glaubens, ihr „Lohn“ für ihre Lebenshingabe ist die Seligsprechung, eine Zusage der katholischen Kirche für ein immerwährendes Leben bei Gott.
Die einzelnen Darstellungen sind mit Endnoten ausgestattet, sie ermöglichen einen tieferen Einblick in das jeweilige Umfeld. Nur ist es etwas mühsam, immer wieder bis zum Buchende zu blättern.
An dieser Stelle sei Bischof Scheuer schon jetzt für eventuelle Editionen weiterer Viten konsequent glaubender Kirchenmitglieder gedankt.
von Reblaus - 2017-10-27 12:25:00