Rezensionen

Selbe Stadt, anderer Planet
Roman

Autor: Dominika Meindl

Erschienen 2024 bei Picus Verlag
ISBN 978-3-7117-2144-0
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Hallstatt meets China - 4 Sterne

Der kleine Ort Hallstatt im österreichischen Salzkammergut hat es vor kurzer Zeit in die Medien geschafft als einer jener Orte, die durch ihre „Instagrammability“ weltweit bekannt wurden und durch Overtourism nun an der Menge der Gäste zu verzweifeln drohen. Für die chinesischen Tourist:innen, die den Ort gerne besuchen, wurde inzwischen in China der Ort im subtropischen Boluo nachgebaut - als Neubaugebiet. Von diesem Nebeneinander handelt Dominika Meindls Roman und die verschiedenen Charaktere - österreichische wie chinesische - treten auch vor allem nebeneinander auf: Sie begegnen sich selten und wenn, dann ohne zu wissen, dass sie es tun. Der Roman beschreibt auf subtile Weise das Leben in der Kleinstadt Hallstatt, in der die meisten Menschen kaum noch große Pläne für ihr Leben haben und das Leben des chinesischen Tourismusplaners, der zwar große Pläne hat, aber damit auch nicht so recht glücklich wird. Ein schön geschriebener Roman, der zum Nachdenken anregt über das Reisen und Leben an Reisezielen.
von Reiseweise - 2024-03-21 17:46:00

Zwischen Hallstatt und Boluo - 4 Sterne

"Selbe Stadt, anderer Planet" spielt im dörflichen österreichischen Hallstatt und dem pulsierenden China, insbesondere der Region Boluo, in dem ein chinesisches Hallstatt nachgebaut wurde. Mit einem poetisch-melancholischen Schreibstil, der niemals in Kitsch abdriftet, entfaltet sich vor dieser Kulisse die Geschichte von vier Protagonisten, die mit Witz, Ironie und netten kleinen Details erzählt wird.

Die Handlung dreht sich um die Ärztin Johanna, die nach dem Tod ihres Vaters die väterliche Praxis in Hallstatt übernimmt. Ihre Zwillingsschwester Doris, die nie aus Hallstatt weggegangen ist, lebt das traditionelle Dorfleben, ebenfalls ohne große Träume zu haben. Ein weiterer Charakter ist Andrej, ein Experte für Degrowth, der bewusst aufs Land gezogen ist, nur um sich nun dort zu langweilen. Im Kontrast dazu steht der chinesische Tourismusexperte Ren, der in Österreich aufgewachsen ist. Im Auftrag der chinesischen Regierung soll er sich mit dem Phänomen des übermäßigen chinesischen Tourismus‘ in Hallstatt auseinandersetzen. Diese Aufgabe führt ihn dazu, Hallstatt in China nachzubauen, und von weiteren ambitionierten touristischen Großbauprojekten zu träumen. Während sich die Dorfbewohner allesamt mit ihrer Situation abgefunden zu haben scheinen, ist er getrieben von immer neuen Ideen.

"Selbe Stadt, anderer Planet" ist nicht nur eine Geschichte über Heimat und Zugehörigkeit, sondern auch eine Reflexion über Globalisierung und kulturelle Vielfalt. Ren verkörpert das bunte und queere Leben, das im starken Kontrast zum eher traditionellen Lebensstil von Johanna, Doris und Andrej steht. Durch die vier Charaktere erhält man einen Einblick in die Komplexität der globalen Dynamiken und die Auswirkungen des Massentourismus auf lokale Gemeinschaften. Insgesamt haben mir die gelungene Verknüpfung verschiedener Handlungsstränge, die Charaktere und der Schreibstil gut gefallen. Eine Empfehlung auch für alle, die sich für Reiseliteratur interessieren!
von Lu - 2024-03-21 12:57:00

Zwillingschwestern - Zwillingsstädte - 3 Sterne

Darum geht‘s:
Ärztin Johanna kommt nach Jahren in der Stadt in ihr Heimatdorf zurück und übernimmt sowohl die väterliche Arztpraxis als auch das Elternhaus. Durch ihre Rückkehr nach Hallstatt kommt sie ihrer Zwillingsschwester Doris, einer Tischlerin, wieder näher.
Auch der Chinese „Patrick“, ein chinesischer Strategieberater, kehrt nach Österreich zurück. Hier hat er bereits Teile seiner Kindheit verbracht. Er soll für Investoren das idyllische Dörfchen, das von Touristenfluten überschwemmt wird, ausspionieren, damit es detailgetreu in China nachgebaut werden kann. Als der Hallstatt-Nachbau tatsächlich umgesetzt wird und den Weg in die Presse findet, sind die Einwohner Hallstatts fassungslos. Die Zwillingsschwestern beschließen, sich das Ganze mal vor Ort anzuschauen und brechen auf nach Asien…
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Und dann gibt es da noch die slowenische Einwandererfamilie mit Vater Andrej, Mutter Maria und den beiden Töchtern. Sie immigrieren nach Hallstatt, um zur Ruhe zu finden und renovieren ein kleines Bauernhaus.

Dieser dritte Erzählstrang war für mich einigermaßen überflüssig, da er die Geschichte meiner Meinung nach nur nebenbei ein wenig berührt und auch keine zusätzliche Tiefe gibt. Die Charaktere und das Leben der Schwestern sind toll ausgearbeitet und die beiden Frauen kommen richtig sympathisch rüber, obwohl die Autorin ihnen Ecken und Kanten und somit auch eine schöne Tiefe gegeben hat.

In die Geschichte an sich bin ich recht schwer reingekommen, denn die einzelnen Erzählstränge wechseln teilweise innerhalb eines Kapitels. Sie enthalten Traumsequenzen, die ich als solche erst spät erkennen konnte und der Zeitraum der Handlungen ist für mich schwer greifbar.
Für mich hat auch die Verbindung zum „zweiten Hallstatt“ etwas gefehlt, denn die Erzählsequenzen mit „Patrick“ waren mir zu wenig eingängig und der Besuch der beiden Schwestern findet auch erst relativ spät statt. Das hatte ich nach der Beschreibung anders erwartet…

Toll fand ich dagegen den Schreibstil von Dominika Meindl. Ihre Formulierungen und Beschreibungen haben mich oft schmunzeln lassen. Hier ein kleines Beispiel:
„Ihre Augen tranken die Schönheit wie kaltes Bier (Johanna war mit dem Vergleich unzufrieden, aber ein besserer war ihr nicht eingefallen).“ (S. 72)

Auch schön:
„Darüber im Klettersteig steht eine lückenlose Kette an Bergsteigern, in ihrer Multifunktionskleidung leuchten sie wie Feuerwanzen. Wenn der Wind stillhält, hört man das Dröhnen und Wühlen des Baggers. Die drei Schlepplifte unter ihnen spannen sich wie Zahnspangen.“ (S. 124)
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Fazit:
Es ist schön in Österreich, Overtourism ist für die Einheimischen nicht schön und führt zu interessanten Auswüchsen. Am meisten mochte ich die Schwestern, hier hätte ich mir noch ein bisschen mehr Details gewünscht. Nett für zwischendurch, nicht mehr und nicht weniger.
von buecherseipi - 2024-03-20 19:29:00

Hallstatt ganz ohne Kitsch - 5 Sterne

Jeder kennt sie. Hallstatt, die Stadt am See, mit dem berühmten Beinhaus, der Saline, den idyllischen Häusern und den Bergen im Hintergrund. Eines der vielen Beispiele von overtourism, überlaufen, überfüllt, für die ursprünglichen Bewohner:innen oft nicht mehr lebenswert.
Hier startet Dominika Meindl ihre Geschichte. Johanna ist nach vielen Jahren in Wien zurückgekehrt in die Heimat, um dort die Arztpraxis ihres verstorbenen Vaters zu übernehmen. Damit brechen auch viele alte Geschichten über sie herein. Schräg gegenüber wohnt ihre Zwillingsschwester Doris. Sie ist nie weggegangen, hat hier die Schule besucht, ihre eigene Tischlerei eröffnet und einen Polizisten geheiratet. So unterschiedlich die Schwestern sind, als Zwillinge haben sie auch eine enge Verbindung, die nach und nach wieder auflebt.
Parallel dazu lernen wir Ren kennen. Nach einer Kindheit in Österreich, wuchs er in China auf und studierte dort. Sein Stiefvater, ein hoher Funktionär, ebnete seinen Weg. Ren ist Berater im Tourismusministerium, entwirft Konzepte für Binnentourismus und Tourismus aus dem Ausland und ist mit dabei, als die grandiose Idee geboren wurde, das bei Chinesen sehr beliebte Hallstatt einfach in China spiegelverkehrt nachzubauen.
Schon die Rahmenhandlung ist skurril und spannend. Aber noch mehr lebt der Roman davon, wie uns die Autorin ihre Charaktere näherbringt. Sie sind sehr menschlich gezeichnet, haben Zweifel und Ängste, Fehler und gute Seiten. Man kommt ihnen schnell nahe und lebt mit ihnen mit. Wie es für Johanna ist, wieder zurück zu sein, wie Doris einerseits ihren Beruf liebt und andererseits oft an ihre Grenzen stößt, wie Ren seine Ideen entwickelt, was er beobachtet.
Ganz nebenbei fließt auch ganz schön viel Gesellschaftskritik ein, über Tourismus, über die globale Welt, über das Leben von Migrant:innen,… Doch nie mit dem Holzhammer, sondern immer sehr stimmig eingebettet in diese spannend erzählte Geschichte.
So kommen in diesem gelungenen Roman sehr viele Ebenen, sehr viele Geschichten und Themen vor, ohne dass er überladen wirken würde. Das Buch ist skurril, humorvoll, aber eben auch voller ernster Themen. Und in keinem Moment kitschig.
Ich habe ihn von der ersten Seite an mit Begeisterung gelesen. Für mich eins der Lieblingsbücher bisher in diesem Jahr!
von Petris - 2024-03-07 17:33:00

Selbe Stadt anderer Planet - 5 Sterne

Die Zwillingsschwestern Johanna und Doris betreiben eine Arztpraxis, bzw. einen Handwerksbetrieb im vermeintlich idyllischen Salzkammergut. Ein chinesischer Strategieberater mit Österreicherfahrung erhält den Auftrag Hallstatt für den chinesischen Markt zu kopieren. Die beiden Schwestern beschließen, die Kopie ihres Heimatortes zu besuchen. Mit Witz und kritischem Blick erzählt die Autorin den Roman.
von Doris Stadlbauer - 2024-03-07 16:28:32