Rezensionen

Dein Schweigen, Vater

Autor: Susanne Benda

Erschienen 2022 bei Urachhaus
ISBN 978-3-8251-5331-1
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Wenn die Worte fehlen .... - 3 Sterne

Als im Mai 1945 Nazi-Deutschland besiegt ist, beginnt für die deutschstämmigen Bewohner Brünns erst der Krieg. Sie werden, wie hinlänglich bekannt, enteignet, verprügelt und auf den sogenannten „Brünner Todesmarsch“ getrieben. Wer nicht mehr weiterkonnte, wurde rücksichtslos ermordet.

Der zwölfjährige Paul ist einer der wenigen von ihnen, die überlebt haben. Er musste zahlreiche Familienangehörige sterben sehen und Freunde zurücklassen.

Dass aus ihm ein schweigsamer Mann wurde, ist verständlich. Nach seinem Tod begeben sich seine Kinder, Maria und Ulrich, auf Spurensuche. Vor allem Maria will die Familiengeschichte erkunden. Sie geht die rund 37 km von der österreichischen Staatsgrenze nach Pohořelice, dem Heimatort seines Vaters, zu Fuß, um den Vertriebenen nahe zu sein.

Meine Meinung:

Wer Sabine Bodes Bücher rund um die Kriegskinder bzw. Kriegsenkel kennt, wird sich mit Epigenetik schon auseinandergesetzt haben. Auch dieser Debütroman von Susanne Benda beschäftigt sich mit diesem Thema. Wie beeinflussen solche traumatische Erlebnisse die Nachkommen? Wir erhalten einen Einblick in das Leben von Pauls Kindern, Maria und Uli, das auch nicht ganz geradlinig verläuft.

Der Rückblick in die dramatischen Tage sind penibel recherchiert und eindrucksvoll beschrieben. Das weitere Leben Pauls ist durch sein Schweigen geprägt, das oft durch Albträume durchbrochen wird. Leider fällt dieser Teil der Erzählung in seiner Spannung ab. Die nimmt erst wieder ein wenig zu, als Maria den Todesmarsch in umgekehrter Richtung also von Österreich nach Pohořelice

Der Schreibstil wirkt bei der Spurensuche nach der Herkunftsfamilie des Vaters stellenweise ein wenig langatmig. Dieses Eintauchen in die Vergangenheit hätte durchaus Potenzial gehabt. Leider ist die Chance dazu nicht genützt worden. Allerdings muss man der Autorin zugute halten, dass sie sich für ihren Debütroman ein schwieriges Thema ausgesucht hat.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem interessanten Thema 3 Sterne.
von Bellis-Perennis - 2022-12-14 12:12:00

Ergreifende, aber langatmige Erzählung - 3 Sterne

«Spielt da der Sohn eines Täters, die Enkelin eines Opfers? Lässt sich die Rolle nur einer Nation zuordnen? Kann man überhaupt nur auf einer der beiden Seiten stehen, oder trägt man nicht doch immer beides in sich? Ist Vergessen das Beste, und heilt die Zeit wirklich alle Wunden?»

Paul ist zwölf, als er im Mai 1945 aus seinem unbeschwerten, glücklichen Leben aus Brünn gerissen wird. Er muss mit seiner Familie bis zur österreichischen Grenze marschieren, im sogenannten Brünner Todesmarsch. 27000 deutschstämmige Bewohner von Brünn wurden damals aus der Stadt vertrieben. Viele kamen dabei ums Leben, auch ein Teil seiner Familie. Manche seiner Freunde musste Paul in Brünn zurücklassen, andere verlor er im Marsch aus den Augen. Jahre später hat er Familie: seine Frau Christa und die beiden Kinder, Maria und Uli. Er spricht nie über die Vertreibung aus Brünn, obwohl er sie nie vergessen wird. Auch später kehrt er nie nach Tschechien zurück. Seine beiden Kinder leiden darunter, dass Paul nie viel spricht – die Familiengeschichte bleibt geheim. Erst nach seinem Tod beginnen sie, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, und reisen schliesslich nach Brünn, um Vaters Wurzeln kennenzulernen…

Das Debüt von Susanne Benda beginnt stark und behandelt ein sehr interessantes, trauriges Thema. Der Teil des Buches, der von der Vertreibung aus Tschechien erzählt, ist unglaublich ergreifend und eindrücklich geschrieben. Dann wird es häufig etwas langatmig: das Aufwachsen von Maria und Uli, ihre spätere Suche, das alles war oft mühsam zu lesen und es geschah wenig. Ich habe im Nachhinein viel zum Thema Brünner Todesmarsch gelesen und dadurch viel gelernt. Das Buch bekommt von mir drei Sterne.
von skiaddict7 - 2022-10-21 17:31:00

Worüber man nicht sprach - 5 Sterne

Nach dem Krieg musste das Leben weitergehen, man musste nach vorn schauen. Schweigen über das Erlebte war wohl eher die Regel. Es fragte auch keiner. "Dein Schweigen, Vater" von Susanne Benda bricht das Schweigen. Dabei ist Paul nicht einer der Soldaten, die Schreckliches erlebt haben, sondern er war noch ein Kind, als er den Todesmarsch aus Brünn antreten musste und als einziger seiner Familie überlebte. Erst nach seinem Tod recherchieren seine Kinder.

Der Schreibstil des Romans war für mich erst sehr gewöhnungsbedürftig, ist er doch aus einer verzerrten Kindersicht geschrieben, die nicht ganz zu passen scheint. Doch das Thema und später auch der Roman selbst haben mich interessiert und überzeugt. In drei Zeitebenen bewegen sich Leser und Leserin, aber am spannendsten und bedrückendsten ist natürlich die Erzählung von 1945.

Die Autorin selbst hat viel Autobiographisches in diesem Roman verarbeitet. So sind die manchmal wohl zu kurzen Einblicke tiefgründig und sehr eindringlich. Dass die Kinder Pauls so unbedarft sind und sehr wenig wissen, ist für mich verwunderlich, trägt aber sicher zum Verlauf des Romans bei.

Ich habe sehr viel aus "Dein Schweigen, Vater" gezogen. Den Roman empfehle ich aber nur denjenigen, die sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen wollen, die vielleicht Ähnliches in ihrer eigenen Familie finden. Es ist auch gut zu wissen, dass es vielen so geht und ging. Im Roman war es ein Glücksfall, dass die Kinder noch so viel erfahren durften. Den meisten Betroffenen wird dies kaum gelingen, wobei ich mit "Betroffenen" hier die Familienmitglieder meine, die zeitlebens unter dem Schweigen leiden mussten.
von signalhill - 2022-09-25 21:23:00

Der Brünner Todesmarsch - 5 Sterne



Die Schriftstellerin Susanne Benda führt uns in ihrem Roman „Dein Schweigen, Vater“ in ein traurige Zeit.

Der Roman fängt mit dem 12jährigen Paul 1945 in Brünn an.
Schon ewig lebt seine Familie dort. Er ist befreundet mit Marie und Pavel. Alles war gut, bis Deutschen kamen und die Einheimischen misshandelten und Deportierten. Dann wendet sich das Spiel , jetzt müssen die Deutschen um ihr Lenen fürchten.
Die Alten, Frauen und Kinder werden zu einem Marsch Heim ins Reich gezwungen. Was Paul, da zu sehen bekam, war sehr dramatisch. Da wird die Großmutter erschlagen und viele andere, die einfach erschossen wurden.
Es ist kein Wunder, das er traumatisiert war. Seinen Kindern erzählte er nichts von der Zeit. Erst waren sie zu jung und dann fragten sie nicht mehr.
Nach dem Tod des Vaters reisten die Geschichteter nach Brünn, um das verstehen zu können.

Die Autorin schreibt diese Geschichte sehr detailliert und genau. Ich wurde davon total gefangen.
Wenn man bedenkt, was auch heute noch viele Menschen mitmachen müssen, da gibt es dann auch wieder viele traumatisierte Kinder.

Ein erschütternder Roman, den ich gern gelesen habe.


von begine - 2022-08-24 12:06:00

die Vergangenheit - 5 Sterne

Dieses Buch ist ein sehr gut geschriebenes Buch, dass uns zeigt was es mit dem Mensch und vor allem auch mit seinen Mitmenschen bzw. seiner engsten Familie macht, wenn man seine Vergangenheit mit sich trägt, aber ohne diese aufzuarbeiten oder sie mit den Mitmenschen zu teilen. Denn genau dies macht der Vater in diesem Buch. Er hat sehr tragische Ereignisse und Erlebnisse im Krieg bzw. kurz danach erleben müssen und hat diese bis in die heutige Zeit bzw. bis zu seinem Tod nicht verarbeiten können und hat vor allem diese Erlebnisse nie mit seiner Familie geteilt und so seine Kinder außen vor gelassen. Erst nach seinem Tod recherchieren seine Kinder und decken die schlimmen Erlebnisse ihres Vaters auf und können dadurch vielleicht auch verstehen. Ich finde das Buch sehr realistisch geschrieben und es zeigt ein großes Problem der Nachkriegszeit und der Kriegsgeneration.
von v_im_wunderland - 2022-08-17 22:19:00

Traumata weiter getragen - 5 Sterne

Dieses Buch ist ein sehr eindringliches Buch und man sieht am Cover eigentlich schon sehr gut um was es geht. Ein Kind, welches eine Geschichte zu erzählen hat. Ein Kind welches nach dem 2. Weltkrieg auf Grund seiner Abstammung vertrieben wurde und einen furchtbaren Marsch mitmachen musste. Doch dieses Kind wird sein ganzes Leben lang nicht über die schlimmen Erlebnisse seiner Vergangenheit reden können und so wird vieles ungesagt bleiben und seine Kinder werden keinen richtigen Zugang zu seinem Vater haben. Ich denke dass diese Geschichte sehr exemplarisch ist, da es 1000en von Menschen genau so ergangen ist und ich finde es natürlich ergreifend und beklemmend diese Geschichte zu lesen. Es ist sehr gut geschrieben und das Thema ist natürlich immer aktuell und man kann es nicht genug in Erinnerung rufen. Ich kann es sehr empfehlen.
von inya - 2022-08-15 19:45:00

Auf den Spuren des schweigenden Vaters - 5 Sterne

Paul ist 12, er hat gute Freunde und liebt es, die Tage mit der kleinen Marie, die er später mal heiraten will und seinem Freund Pavel zu verbringen. Doch plötzlich, kurz nach dem Krieg, wird alles anders. Deutsche müssen eine weiße Binde tragen, die sie als Deutsche kennzeichnet, sie werden enteignet, hausen in Kellerwohnungen. Und am 31. Mai 1945, der Tag ist Fronleichnam, werden sie vertrieben und auf einen Marsch geschickt, in der Hitze, ohne Trinken und Essen, wer alt, schwach oder krank ist und zurückbleibt, wird ermordet. Diese Vertreibung geht als Todesmarsch von Brünn als ein sehr trauriges Kapitel in die Geschichte ein.
Viele Jahre später machen sich die Kinder Pauls, inzwischen selbst reife Erwachsene, der Vater war vor Kurzem gestorben, auf eine Spurensuche. Der Vater hat nie über sein Trauma gesprochen, sie wissen nur wenig und machen sich auf nach Brünn. In der Hoffnung, Antworten zu finden? Um ihrem Vater nahe zu kommen? Um die Auswirkungen von Pauls Schweigen zu verarbeiten? Werden sie Antworten finden?
Sehr schön, sehr einfühlsam erzählt die Autorin Susanne Benda in ihrem literarischen Debut diese Geschichte. Schonungslos beginnt sie mit der traumatischen Erfahrung der Vertreibung, erzählt aus Sicht eines 12-jährigen. Nach einem Sprung erleben wir Paul als Erwachsenen, als Vater und Ehemann, wir lernen seine Frau Christa kennen. In einem weiteren Sprung sind die Kinder erwachsen und machen sich auf Spurensuche.
Das ist auf allen Ebenen sehr gelungen! Der Aufbau ist interessant, man kann immer gut folgen, sprachlich ist der Roman ein Genuss, das Thema ist spannend und wird hier wunderbar in einen Roman verpackt.
Ich habe diesen Roman mit großem Interesse gelesen, er hat mich berührt, ich mochte die Charaktere und die Erzählstimmen. Mich hat außerdem beeindruckt, dass die Autorin, obwohl die Basis dieser Geschichte, wie sehr schön im Nachwort erklärt wird, ihre eigene Familiengeschichte ist, nie die Distanz verloren hat, sondern aus ihren eigenen Erfahrungen einen wunderbaren Roman geformt hat.
Ein wirkliches Highlight in diesem Lesejahr!
von Petris - 2022-08-04 20:06:00