Rezensionen

Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt
Roman | Ein emotionales Epos rund um die Frauenkirche von 1938-2005

Autor: Julie Heiland

Erschienen 2024 bei Ullstein Extra;Ullstein Paperback
ISBN 978-3-86493-254-0
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Berührend und beeindruckend - 5 Sterne

Dresden 1945 - kaum vorstellbar, was in dieser Nacht vom 13. auf den 14. Februar in unserer Landeshauptstadt stattgefunden hat. Wir alle kennen aber noch die Ruine der Frauenkirche und können nun mittlerweile immer wieder bewundern, was aus daraus nach jahrelanger, herausragender Arbeit geworden ist.
Als gebürtige Sächsin fühle ich mich Dresden sehr verbunden und so war dieser Roman für mich quasi ein Muss und es hat sich geloht. Ich mag es, wenn man die Orte in dem Buch selbst kennt und vor seinen Augen hat.

Drei Generationen, drei Frauen, ein transgenerationales Trauma. Die Perspektive von Lotte nimmt im Buch den größten Raum ein, in Ergänzung zur Geschichte ihrer Enkelin Hannah Anfang der 90er. Lottes Tochter Marlene ist eigentlich das Bindeglied zwischen den beiden, deren Geschichte kommt aber erst am Ende des Buches so wirklich an das Tageslicht, was aber sehr stimmig ist.

Nach der Bombennacht in Dresden 1945 beginnt für Lotte ein neues Leben, aber die Strapazen des Krieges sind noch lange nicht vorbei, im Gegenteil, die Zeit danach ist voller Hunger, Kälte und vor allem Trümmern, die die Bevölkerung noch jahrelang beschäftigen werden. Zeiten des Verzichts, in denen die Sehnsucht nach dem Leben manchmal fast übermächtig wird, nichts wünschen sich die Trümmerfrauen mehr, als ein wenig Normalität. Als Lotte Jakob kennenlernt, in dem sie in an einer Brücke vom Suizid abhält, nimmt sie ihn mit nach Hause und es folgt eine lange Zeit des Kennenlernens und des Schweigens, gibt es doch im Leben des Juden so viel, worüber er nicht sprechen kann und mag. Auch Lotte kämpft noch mit ihrer verlorenen Liebe Leo, ebenfalls ein Jude, und sie hat sich vorgenommen, diesmal alles besser zu machen.
Auf der anderen Seite stehen in dieser Zeit aber auch Menschen wie Achim, die ihre Nase immer wieder in den entsprechenden Wind des jeweiligen Regimes gehalten haben, und so heil durch alle Diktaturen gekommen sind.

Und dann ist da noch Hannah, sie arbeitet nach ihrem Architekturstudium im Jahr 1993 auf der Baustelle der Dresdner Frauenkirche und ist an der Umsetzung des Wiederaufbaus beteiligt. Ihre Mutter Marlene ist vielbeschäftigte Bürgermeisterkandidatin, ohne viel über ihre eigenes Leben preiszugeben, Kontakt zu Hannahs Oma Lotte gibt es nicht und sie hat bis dato auch nie erfahren, warum. Dann findet sie bei den Aufbauarbeiten ein Foto aus einer Sammlung und es verschlägt ihr fast die Sprache, sieht dieses Bild der Trümmerfrau ihr und ihrer Mutter doch wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Wer ist diese Frau? Und was verbindet sie miteinander?

Die beiden abwechselnden Erzählungen aus der Nachkriegszeit der Trümmerfrauen und dem Wiederaufbau der Frauenkirche in den 90ern ergänzen sich wunderbar, die Geschichte baut sich Stück für Stück zu einem großen Ganzen auf und man will einfach immer wissen, wie es weiter geht und wie die Geschichten am Ende zusammenführen.

Es ist ein wahnsinnig berührendes Buch, das auf den ersten Blick wie ein kitschiger Liebesroman erscheinen mag, jedoch so viel Tiefe, so viel Ehrlichkeit hat und aufzeigt, welche Pakete die Nachkriegsgenerationen und auch noch deren Nachfahren mit sich herum tragen müssen und wie wichtig es eigentlich ist, diese ehrlich aufzuarbeiten, um diese Traumata zu besiegen. Das Buch ist viel zu bewegend und geschichtlich viel zu tiefgründig und interessant, um kitschig zu sein. Ein Roman mit Nachwirkung, den man gelesen haben muss.
von CS - 2024-04-08 10:58:00

Lebenstrümmer - 5 Sterne

Dieser Roman, der in Dresden spielt, handelt von drei mutigen und selbstbewussten Frauen: von Lotte, Marlene und Hannah, und von den Trümmern, die der Zweite Weltkrieg und die DDR in unseren Seelen hinterlassen haben. Angesiedelt ist die Geschichte auf zwei Zeitebenen: 1947 und 1993.
1993: Die junge Hannah hilft beim Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden. Akribisch wird jedes Fundstück der Ruine untersucht, um es beim Wiederaufbau genau wieder dort zu platzieren, wo es hingehört. Dabei findet Hannah im Archivmaterial eine Fotografie von einem Liebespärchen inmitten der Trümmerlandschaft Dresdens. Doch es ist nicht irgendein Foto: Die junge Frau sieht Hannas Mutter zum Verwechseln ähnlich. Sollte es Hannahs Oma sein, die sie nie kennengelernt hat?
1947: Lotte ist eine der Trümmerfrauen, die beim Enttrümmern Dresdens hilft. Eines Abends bewahrt sie den Juden Jacob davor, sich von einer Brücke zu stürzen. Sie nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Sowohl Lotte als auch Jacob sind von den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges traumatisiert und beide tragen jeweils schwer an einem Geheimnis. Werden sie jemals wieder glücklich werden können?
Julie Heiland schafft es meisterhaft, die Geschichte dreier Frauen kunstvoll mit der Geschichte Dresdens zu verweben. Wie auch schon in ihren Romanen um das Strandbad Müggelsee habe ich wieder Einiges über die DDR und hier im Besonderen über Dresden gelernt. Die Protagonistinnen sind gut gezeichnet und man kann sich schnell in sie hineindenken. Die Geschichte scheint auf dem ersten Blick vorhersehbar, nimmt dann aber immer wieder Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Ich konnte das Buch zum Schluss nicht mehr aus der Hand legen. Von mir eine ganz deutliche Leseempfehlung!
von Sophie H. - 2024-04-01 19:51:00

Brücken bauen, Versöhnung leben - 5 Sterne




Die Schriftstellerin Julie Heiland führt uns in ihrem Roman, Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt, nach Dresden.
Der Roman wird in 2 Zeiten gechildert. Da ist 1939 Lotte, die bei ihrer Tante und dem Onkel lebt. Die führen ein prominentes Hotel. Lotte hat sich in den Juden Leo verliebt.
Wir erleben Lottes Zeit den ganzen verehrenden Krieg mit, bis in die DDR Zeit rein. Nach dem Krieg arbeitet Lotte lange als Trümmerfrau.

1993 arbeitet Hanna beim Aufbau der Frauenkirche . Sie findet ein Foto von einer Frau, die ihrer Mutter ähnlich sieht. Sie hat den Verdacht, das es ihre Großmutter ist. Ihre Mutter Marlene hat keinen Kontakt mehr zur Mutter, so das Hanna sie nicht kannte.
Die Autorin hat alle drei Frauen besonders authentisch beschrieb. Man mag alle Drei gerne.
Die jeweilige politische Lage ist immer realistisch,
Das gibt es erst der Nationalismus und dann finden sich plötzlich die selben Personen in der DDE.
Allerdings gab es das auch im Westen.

Der Roman ist beeindruckend. Man lebt das Geschehen nahe mit.
Sehr empfehlenswert.
von begine - 2024-03-23 08:49:00

Drei Generationen - 5 Sterne

Dresden, die Elbmetropole und Anziehungspunkt für Kunstliebhaber wird im Jahr 1945 in nur einer Nacht in Schutt und Asche gelegt. Die Menschen sind verzweifelt. Es gibt kaum Wohnraum und die Lebensmittel sind knapp. Aber die Menschen haben auch Hoffnung und fangen an ihre Stadt wieder aufzubauen, Unter ihnen ist die Trümmerfrau Lotte. Die junge Frau wurde nach dem Tod der Eltern von Tante und Onkel aufgenommen. Nach dem Krieg lebt sie mit der Tante unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem fast zerstörten Haus. Lotte ist seit Jahren auf der Suche nach ihrem Geliebten Leo. Der plötzlich aus ihrem Leben verschwand . Sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass er als Jude die Nazizeit überlebt hat. Als sie einen jungen Mann vom Selbstmord abhalten kann und ihn bei sich aufnimmt, beginnt ihr Leben sich zu ändern.
Viele Jahre später findet ihre Enkelin Hannah , die am Wiederaufbau der Frauenkirche arbeitet, ein Foto ihrer bis dahin unbekannten Großmutter. Da die Ähnlichkeit zu ihrer Mutter sehr groß ist, beginnt sie nachzuforschen
Die Autorin hat die Familiengeschichte der drei Frauen gekonnt mit den historischen Ereignissen verknüpft.
Ein großes Lesevergnügen!

von peppi - 2024-03-22 15:50:00

Bewegende Geschichte - 5 Sterne

Im Jahr 1993 hilft Hannah beim Wiederaufbau der Frauenkirchen in Dresden. Dort stößt sie auf ein altes Foto, auf welchem eine Frau zu sehen ist, die ihrer Mutter Marlene sehr ähnlich sieht. Könnte das ihre Großmutter Lotte sein, die Hannah bislang nicht kennt, da ihrer Mutter den Kontakt zu dieser vor vielen Jahren abgebrochen hat.

Schicksalsjahre – Die Frauen vom Neumarkt ist eine sehr bewegende Familiensaga, die mir richtig gut gefallen hat. In diesem Roman dreht es sich um einen um Hannah im Jahr 1993, die auch von der Liebe enttäuscht wird und dann aber doch noch den Richtigen findet? Und natürlich vor allem um Lotte, die viel durchleben musste, die Zerstörung Dresden 1945 und danach der schwierige Weg zum Glück. Dieser Roman ist sehr gut geschrieben, er hat mich als Leserin ans Buch gefesselt, man fühlt mit Lotte und Hannah mit. Es ist sehr flüssig geschrieben, es gab keine langwierigen Passagen im Text. Für mich blieb es immer spannend wie es am Ende für beide Frauen ausgehen wird. Auch die jeweiligen geschichtlichen Ereignisse, gerade auch das Leben nach dem Krieg in der neu entstehenden DDR ist sehr gut beschrieben und im Buch umgesetzt. Ich selbst kenne Dresden sehr gut und auch die Frauenkirche noch als Ruine und so konnte ich mich noch mehr in die Geschichte hineinversetzen.
Fazit: Ein sehr lesenswerter Roman, kann ich nur empfehlen.
von Bücherwurm78 - 2024-03-21 09:14:00

Dresden und drei Frauen - 3 Sterne

Lotte, Marlene und Hannah, drei Frauen drei Generationen und eine Stadt. Dresden und die Liebfrauenkirche stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Erzählt wird sie überwiegend von Lotte und Hannah während Marlene das Bindeglied zwischen den beiden ist. Denn Lotte ist Marlenes Mutter und Marlene ist Hannahs Mutter.
Lotte erlebt den Krieg in Dresden, in der Nachkriegszeit lernt sie Jacob kennen, einen überlebenden Juden. Gemeinsam versuchen sie das Trauma der vergangenen Jahre zu überwinden.
Hannah ist Historikerin und an dem Wiederaufbau der Frauenkirche beteiligt. Jedes Detail wird dokumentiert und viele Fotos sortiert. Auf einem dieser Bilder ist eine Frau die ihrer Mutter sehr ähnlich ist. Bei den Nachforschungen wächst Hannah an ihren Aufgaben. Aus der etwas unsicheren jungen Frau wird eine selbstbewusste zielstrebige Person die jetzt für sich einstehen kann.
Die Autorin erzählt anhand der Geschichte von Dresden, die Entstehung der DDR und die Folgen für die gebeutelten Menschen in der zerstörten Stadt.
Mit Lotte hat sie eine Figur geschaffen die mutig nach vorn schaut und den Optimismus auch auf andere übertragen kann. Marlene dagegen trägt an den Trauma des Unausgesprochenen. Da ihre Mutter nie etwas erzählt hat, fehlen ihr wichtige Teile ihrer Vergangenheit, ihrer Wurzeln. Nun ist es an Hannah beide zusammen zubringen und die Wunden der Vergangenheit zu heilen.
Die Autorin bringt uns die Stadt näher, die Arbeit der Historiker und das finde ich wichtig auch das Trauma der Nachkriegsgeneration.

von Petra - 2024-03-20 22:59:00