Rezensionen

Autor: Donatella Di Pietrantonio

Erschienen 2021 bei Verlag Antje Kunstmann

ISBN 978-3-95614-454-7

Adriana lebt prekär in Borgo Sud, dem heruntergekommenen Hafenviertel von Pescara, ihre Schwester Arminuta lehrt an der Universität in Grenoble. Eines Tages erhält diese einen Anruf, dass Adriana, die Jüngere, die Wilde, nach einem Sturz vom Balkon lebensgefährlich verletzt auf der Intensivstation liegt. Der Anruf löst eine Flut von Erinnerungen aus: an die Nacht, in der Adriana mit einem Baby auf dem Arm vor ihrer Tür stand, an deren Liebe zum jungen Fischer Rafael, für den sie die Schule geschwänzt hat, mit dem sie nachts zum Fischen rausfährt, den sie verteidigt, egal in welche Schwierigkeiten er verwickelt ist. An die eigene Verlobung mit Piero und das Festessen, bei dem sie verkündet wurde. An ihre gescheiterte Ehe, weil Piero Männer liebt.
In Borgo Sud scheinen alle zu wissen, dass Adriana keinen Unfall hatte, aber was wirklich geschehen ist, darüber schweigen sie. Donatella Pietrantonio erzählt die Familiengeschichte von Arminuta spannend und mit großer literarischer Kraft. Von Geschwisterliebe und einem Italien, wie man es selten zu sehen bekommt.

von Stefanie Besold-Eisner - 2021-09-23 16:06:00

Wie in Elena Ferrantes Werken gibt es bei Di Pietrantonio Gegensätze: Adriana ist wild, unberechenbar, jähzornig, impulsiv, ihre Schwester ist vorsichtig, belesen, verheiratet und hat eine Universitätskarriere angestrebt. Die Eltern, die in einem kleinen Dorf von Pescara leben, haben die Mädchen mit harten Worten erzogen. Sie leben in einer eigenen, abgeschlossenen Welt, wo Bildung und Fortschritt noch nicht angekommen sind (wie in „Arminuta“). Die Autorin schreibt sehr flüssig, sodass man oft nicht bemerkt, dass man in einer anderen Stadt ist, oder zurück im Dorf, zu einem früheren Zeitpunkt. Das macht die Lektüre so spannend, weil alles zu einer großen Geschichte verschmilzt.

von Barbara Kumpitsch - 2021-09-10 09:26:00