Ocean VuongAuf Erden sind wir kurz grandios

Hardcover

Hanser (2019)

272 Seiten; 208 mm x 138 mm

ISBN 978-3-446-26389-5

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Auf Erden sind wir kurz grandios

Besprechung
"Der Debütroman von Ocean Vuong ist ein literarisches Ereignis dieses Jahres." Khue Pham, Zeit Online, 01.10.19

"Vuongs Debütroman erzählt die ewige Geschichte von Krieg, Flucht und Fremde. Sie wirkt bis in die Sprache." ZDF Aspekte, 20.09.19

"Höchst intuitiv und dadurch überaus schön... Ocean Vuong ist es gelungen seine Erinnerungen zu erzählen, ohne in ihnen unterzugehen." Katharina Borchardt, SWR2 lesenwert, 23.08.19

"Ein langer, poetisch-zärtlicher Brief an diese Mutter, eine liebevolle und gleichzeitig therapeutische Abrechnung mit ihr und einem Umfeld, das viele Wunden schlug." Eva Karnofsky, WDR5 Bücher, 15.08.19

"Grandios mitfühl- und fassbar ... sprachlich prächtige wie überraschende Bilder." Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, 13.08.19

"Ein eindrucksvolles Buch, geschrieben in einer poetischen Sprache. Ein Buch der Selbstvergewisserung durch das Scheriben über die eigene Geschichte. Einer Geschichte, die durch einen Krieg geprägt ist, der noch Generationen später das Leben der Menschen bestimmt." Fokke Joel, taz. 11.08.19

"Vuongs inniger, aphoristischer Ton und die zwischen Prosa, Essay und Gedicht changierende Form seines Romans hat in diesem heißen Juli bestimmt niemanden kalt gelassen." Süddeutsche Zeitung, 30.07.19

"Ein Buch, so schmerzgeladen und fragil, fremd und schön - man kann seine aus Fetzen gefügte Botschaft als einen der verstörendsten und wundersamsten Liebesbriefe lesen, die sich einem in jüngerer Zeit zwischen Buchdeckeln offenbarten." Angela Schader, Neue Zürcher Zeitung, 26.07.19

"Hier kristallisiert sich heraus, was es heißt, wenn Klasse, Herkunft, Sexualität, auch Jugend und Alter, Stadt und Provinz, aufeinander wirken. Dass es kein Entkommen aus diesen Kategorien gibt, keine Insel der Normalität, ist eine schmerzhafte, aber lehrreiche Erkenntnis. Wenn es tatsächlich eine Great American Novel gäbe, so wäre genau diese ihre Botschaft und Ocean Vuong einer ihrer Autoren." Miryam Schellbach, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.07.19

"'Little Dogs' Erinnerungen dienen nicht der Erfindung einer stringenten identitäspolitischen Erzählung, sondern schaffen selbst Identität, wunderbar präzise und mit Sätzen, die den Bogen ins Lyrische spannen, so weit, wie, und weiter, als Prosa nur gehen kann. Hier spricht jemand, der außerhalb der Sprache steht und sich mit anspruchsvoller Inbrunst in ihr Inneres wühlt;" Miryam Schellbach, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.07.19

"Von der Schönheit in den Verhältnissen, die man nicht ändern kann: Ocean Vuong entwickelt mit seinem Debüt eine neue Form politisch engagierter Literatur. ... Er wählt eine Form, die zwischen Prosa, Essay, Gedicht changiert. Eine Form, die weniger auf Perfektion der Bilder, den langen Atem der Erzählung und immer vollends überzeugende Stimmigkeit der Gedanken setzt als auf Inspiration, auf den Drang etwas entstehen lassen zu wollen und dafür sprachlich Offenheit schaffen zu müssen." Insa Wilke, Süddeutsche Zeitung, 22.07.19

"Hier kommt einer, der die Wunden der Menschheit in einem solch elektrisierend mutigen Verfahren erkundet, dass es weh tut. Es ist ein Text, der sich windet und häutet, die Genregrenzen außer Kraft setzt - und gleichzeitig erzählt er eine einfache Geschichte." Lisa Kreißler, NDR Kultur, 21.07.19

"Weil Vuong immer wieder beschreibt, wie er mit seiner eigenen Identität ringt und wie er trotz all der Fremdzuschreibungen und Rollenzuweisungen zum Autor seiner eigenen Biographie wird, ist sein Buch viel mehr als nur ein interessanter Einblick in die Welt einer ethnischen Randgruppe." Harald Staun, Süddeutsche Zeitung, 21.07.19

"Vor allem durch die schlaglichtartige Evokation von Augenblicken ist es das Werk eines Dichters, nicht das eines Epikers. ... Vuong setzt auf das unheimliche Aufleuchten einzelner Momente, die ihre Spannung daraus beziehen, dass sie sich gegenseitig erhellen." Georg Dotzauer, Tagesspiegel, 20.07.19

"Die ungewöhnliche Geschichte einer Selbstsuche ... Ocean Vuong gelingt etwas Besonderes: die Verbindung eines Coming-out-und-Coming-of-Age-Romans mit einer literarischen Form, die unterschiedliche Blickwinkel heraussstellt." Mara Delius, Die Welt, 20.07.19

"Sein erster Roman, eine Migrationsgeschichte in radikal verdichteter Sprache, wild durch die Zeiten springend. Coming of Age und Coming Out, das Wunder der ersten Liebe, mitten in den Waste Lands der US-amerikanischen Opioidkrise. Und auf wirklich jeder Seite so genaue Bilder." Alex Rühle, Süddeutsche Zeitung, 19.07.19

"Der junge US-Autor erzählt in seinem eindrücklichen Roman von seinen vielen zerrissenen Leben als Einwanderer, als Homosexueller und als Sohn einer vietnamesischen Analphabetin. ... Was man von ihm lesen kann, klingt bereits jetzt schon außergewöhnlich." David Hugendick, Die Zeit, 18.07.19

Langtext
"Ein grandioses Buch! Eine Reise in die Vergangenheit, in die Kindheit, nach Vietnam, in die Gewalt und die Liebe." Sasa Stanisic - Der Debütroman von Ocean Vuong

"Lass mich von vorn anfangen. Ma ..." Der Brief eines Sohnes an die vietnamesische Mutter, die ihn nie lesen wird. Die Tochter eines amerikanischen Soldaten und eines vietnamesischen Bauernmädchens ist Analphabetin, kann kaum Englisch und arbeitet in einem Nagelstudio. Sie ist das Produkt eines vergessenen Krieges. Der Sohn, ein schmächtiger Außenseiter, erzählt - von der Schizophrenie der Großmutter, den geschundenen Händen der prügelnden Mutter und seiner tragischen ersten Liebe zu einem amerikanischen Jungen. Vuong schreibt mit alles durchdringender Klarheit von einem Leben, in dem Gewalt und Zartheit aufeinanderprallen. Das kraftvollste Debüt der letzten Jahre, geschrieben in einer Sprache von grandioser Schönheit.

Vuong, OceanOcean Vuong wurde 1988 in Saigon, Vietnam, geboren und zog im Alter von zwei Jahren nach Amerika, wo er heute lebt. Für seine Lyrik wurde er mehrfach ausgezeichnet, zuletzt u.a. mit dem Whiting Award for Poetry (2016) und dem T.S. Eliot Prize (2017). Bei Hanser erschienen zuletzt sein Debütroman Auf Erden sind wir kurz grandios (2019) und der Gedichtband Nachthimmel mit Austrittswunden (2020).


Ein amerikanisch-vietnamesischer Lyrik-Roman
Was für einen Schatz ich geborgen habe, merke ich bei Büchern erst, wenn ich es zuklappe und eine Wehmut sich in mir breit macht, dass es leider schon wieder zu Ende ist. Und einen solchen Schatz habe ich mit dem Debüt von Ocean Vuong geborgen! Sein Roman "Auf Erden sind wir kurz grandios“ ist eine Perle in diesem Bücherjahr. Vor allem weil es so anders ist als viele andere Romane. Übrigens ist der Romantitel, den ich grandios finde, auch der Titel eines seiner Gedichte.
Er schreibt klar- leise Töne mit hohem Einschlag. Die poetische Prosa trifft einen mit voller Wucht, wie eine Welle die man kaum abwarten kann und dann haut sie einen doch um und man sitzt im Sand. So fühlt sich dieser Text an.
Ocean Vuong verarbeitet seine eigenen Erfahrungen als Einwanderungskind aus Vietnam in die USA mit diesem Roman. Ein fiktiver Charakter schreibt seiner Mutter, die nicht lesen kann, einen Brief um seine Erlebnisse zu verarbeiten. Die Kombination aus Liebe und Leid, diese Gradwanderung beschreibt er sehr gut. Die Geschichte wird erzählt, aber Ocean Vuong behält viel Raum für eigene Gedanken des Lesers bereit. Auch merkt man dem Roman sehr stark an, dass Ocean Vuong in erster Linie Lyriker ist und dann erst Schriftsteller – oder macht er eine neue Dimension auf mit diesem Roman?
Mich hat der Roman überzeugt, daher wünsche ich dem Roman viele Leser! Aber ich rate nur zum Roman, wer auch gerne Lyrik liest.

anspruchsvolle, aber schöne Geschichte
Das Buch beschreibt die Geschichte der Großmutter, der Mutter und vor allem die des Sohnes. Ocean Vuong hat es mit diesem Buch geschafft, eine berührende Reise in die Vergangenheit von "Little Dog" zu beschreiben.

Das Cover ist wunderschön und passend zum Geschriebenen.

Das Buch überzeugt vor allem mit dem Schreibstil bzw. sprachlich - einige Sätze habe ich immer wieder und wieder gelesen. Wunderschön geschrieben.
Manchmal ist die Geschichte nicht leicht zu lesen, es gibt Sprünge in der Zeit und Perspektive - man muss sehr aufmerksam sein und benötigt seine ganze Konzentration. Einige Dinge stehen auch zwischen den Zeilen, was mir persönlich nicht so zugesagt hat.
Es handelt sich hierbei definitiv um eine anspruchsvolle, aber wunderschöne Geschichte.

Wortgewaltig und poetisch

Inhalt:
Er wird Little Dog genannt, geschlagen und verzärtelt, wie es gerade passt. Seine Mutter bekommt immer noch bei jedem Knall Angstzustände - der Vietnamkrieg steckt ihr in den Knochen. Die Großmutter Lan erzählt dem Kind Geschichten aus dem Krieg, Geschichten, die kein Erwachsener hören sollte, geschweige denn ein Kind. Die Einwanderung in die USA ist nicht die erhoffte Lösung. Zerrissen zwischen zwei Welten, versucht der Ich-Erzähler, seinen Weg im Leben zu finden.

Meine Meinung:
„Auf Erden sind wir kurz grandios“ ist der Debütroman des jungen, für seine Gedichte preisgekrönten amerikanisch-vietnamesischen Autors Ocean Vuong. In einem Brief, der vielleicht nie gelesen werden soll - er ist an die Mutter gerichtet, die Analphabetin ist - erzählt Ocean Vuong fragmentarisch von seinem Leben, dem seiner Mutter und seiner Großmutter. Dabei sind die einzelnen Erinnerungen leider nicht chronologisch angeordnet, sondern die Reihenfolge scheint ganz willkürlich zu sein, was mir das Lesen etwas erschwert hat.

„Ich erzähle dir weniger eine Geschichte als ein Schiffswrack - die Teile dahintreibend, endlich lesbar.“ (S. 182)

Es schmerzt, diesen wortgewaltigen Roman zu lesen, der in einer poetischen Sprache verfasst wurde. Gleichzeitig ist es aber auch schön, all das zu lesen. Der Autor erzählt mit einer brutalen Ehrlichkeit, der man sich als Leser*in nicht entziehen kann. Dabei lässt er kaum ein Thema aus, das das Leben asiatischer Einwanderer in den USA ausmacht. Neben dem Vietnamkrieg geht es auch um Homosexualität, Drogen und immer wieder um Liebe und Hoffnung.

Das Buch bedrückt einen und lässt doch nicht los. Die verwundeten Seelen kann man nicht einfach ignorieren. Es ist keine Lektüre, die man locker nebenbei liest. Man muss Geduld aufbringen und den Willen, sich mit ihr zu befassen.

Grandios
von lectrice
Ich war sehr gespannt auf dieses Buch und wusste nicht recht, was mich erwartet, aber die Leseprobe hat mich schon so sehr von diesem Buch überzeugen können und ich wurde auch nicht enttäuscht.
Little Dog schreibt einen Brief an seine vietnamesische Mutter, die jedoch nicht lesen kann und darum den Brief wohl nie lesen wird. Darum ist er sehr offen in diesem Brief und beschreibt sein Leben in Rückblicken, die jedoch nicht chronologisch geordnet sind. Einblicke in die frühere Kindheit verlaufen durch das gesamte Buch, doch erst am Ende wird die Gegenwart erreicht. Anfangs lebte Little Dog mit seiner Mutter und seiner Großmutter in einem kleinen Einzimmerappartment; alle schliefen auf dem Boden. Die Mutter arbeitet in einem Nagelstudio und die schlechten Bedingungen werden immer wieder thematisiert. Die Mutter schlägt ihren Sohn oft, spricht nicht gut Englisch und weiß nicht viel über ihren Sohn. So erzählt er ihr in diesem Brief von sich und von seiner großen Liebe und was ihn alles so beschäftigt.
Beeindruckender Schreibstil, emotionale Geschichte, ganz anders als erwartet.

Vereint Poesie mit hemmungsloser Direktheit
von Glücksklee
Der erste Roman des Autors Ocean Vuong „Auf Erden sind wir kurz grandios“, ist eigentlich ein sehr langer Brief an die Mutter des Protagonisten. In diesem „Brief“ werden unglaublich viele Themen angesprochen: Kriegstraumata, die die Mutter und Großmutter aus dem Vietnam-Krieg mit sich herumtragen, die gewalttätigen Ausbrüche der Mutter ihrem Sohn gegenüber, die Schizophrenie der Großmutter, was es bedeutet, sich in eine Kultur einzufügen, die einen selbst als fremdartig abstempelt, Drogenprobleme, eine erste tragische Liebe…
Dabei verfolgt der Autor in seiner Erzählung keinen linearen Erzählstrang. Immer wieder werden einzelne Fragmente beleuchtet, mal aus der frühen Kindheit des Jungen, der den ganzen Roman hindurch nur „Little Dog“ genannt wird und dessen wahren Namen man bis zum Schluss nicht erfährt, mal gewährt der Autor einen Einblick in das Leben der Mutter und Großmutter des Protagonisten, bevor diese nach Amerika kamen… was alle diese Fragmente (Kapitel wäre für mich hier nicht der richtige Begriff) gemeinsam haben, ist die Emotion, die durch sie transportiert wird. Das schafft der Autor zum einen durch eine sehr poetische Sprache, die immer wieder von hemmungslos direkt und offen formulierten Abschnitten durchbrochen wird. Die Schläge der Mutter werden beschrieben, aber eigentlich schwingt kein direkter Vorwurf an die Mutter mit in den Passagen, die sich damit befassen, sondern eher ein Gefühl von Traurigkeit, dass die Mutter, die mal so liebevoll ist, auch immer wieder in Ausbrüchen von Gewalt versinkt.
Einige Teile des Romans, vor allem zum Ende des zweiten der drei Abschnitte des Romans, waren mir ein wenig zu eklektisch. Es fiel mir hier schwer, den Überblick zu behalten, an wen sich die Aussagen richten oder von wem sie handeln. Vielleicht ist das aber auch durch den Autor so beabsichtigt. Der Großteil des Romans gibt dem Leser immer Anhaltspunkte, zu welchem Zeitpunkt im Leben von „Little Dog“ man sich gerade befindet.
Von mir erhält „Auf Erden sind wir kurz grandios“ vier von fünf Sternen. Es ist ein aufwühlender Roman, der den Leser berührt und fesselt, selbst über die letzte Seite hinaus.

Monarchfalter
von Castilleja
"'Denk dran', hast du jeden Morgen gesagt [...] 'fall nicht auf. Du bist schon vietnamesisch.'" (Seite 237)
Dieses Zitat kurz vor Ende des Buches fand ich sehr bezeichnend. Der Ich-Erzähler schreibt einen Brief an seine vietnamesische Mutter, die jedoch nicht lesen kann und darum diesen Brief/dieses Buch wohl seiner Meinung nach nie lesen wird. Es ist an seine Mutter gerichtet, sie wird immer direkt angesprochen, doch es ist so viel mehr. Aufgeteilt in drei Teile, die sich mit wichtigen Lebensabschnitten des Ich-Erzählers beschäftigen, auch wenn die Erzählweise nicht chronologisch ist und es immer wieder Rücksprünge in die Kindheit gibt, so handeln die Abschnitte doch von jeweils einem Lebensabschnitt. Es ist nicht nur ein Brief an die Mutter, die Geschichte eines vietnamesischen Jungen, der in den USA aufwächst, sondern auch die Geschichte einer großen Liebe, die Geschichte von Rückschlägen, Krankheit, Drogen, schlecht bezahlter Arbeit, die Geschichte eines Schriftstellers, dessen Mutter nicht lesen kann und so viel mehr. Erzählt in einem wunderbaren Schreibstil, der sich im Laufe des Buches quasi weiterentwickelt, kryptischer, abgehackter wird. Die Reise der Monarchfalter spielt am Ende eine große Rolle und wird am Ende wieder aufgegriffen.
Zum Abschluss noch ein Zitat, das das Buch gut beschreibt:
"Ich erzähle dir weniger eine Geschichte als ein Schiffswrack - die Teile dahintreibend, endlich lesbar," (S. 207)

Lyrische Prosa
von yellowdog
Auf Erden sind wir kurz grandios von Ocean Vuong besticht durch den gewählten Erzählstil, mit dem der Autor die passende Art zu erzählen gefunden hat. Es ist in einen Brief an die Mutter gefasst, die aber nicht lesen kann und daher ist der Brief wohl mehr ein inneres Zwiegespräch, dass der 30jährige Erzähler führt und so seine Erinnerungen an Kindheit und Jugend reflektiert. Er, liebevoll von der Familie Little Dog genannt, ist als Kind aus Vietnam in die USA gekommen. Die Anpassung war nicht einfach für die Familie, sowohl sprachlich als auch kulturell sind gewaltige Unterschiede.

Little Dog erzählt in einer schonungslosen Art und benennt Gewalt und Verluste deutlich.

Bemerkenswert ist, wie der Text sowohl analytisch wie auch sehr emotional erzählt wird. Es gibt Bezugnahme auf philosophische Texte von z.B. Roland Barthes, Bei Dao und andere, aber da Ocean Vuong auch Dichter ist, wird die Prosa streckenweise sehr lyrisch. Das gefällt mir außerordentlich und ist auch nicht so häufig zu finden.

Einzigartig
von Emmmbeee
Der Sohn einer in Amerika gestrandeten Vietnamesin schreibt seiner Mutter einen langen Brief, im Wissen, dass sie nicht lesen kann. Es geht um jeden wichtigen Zeitpunkt in ihrem und seinem Leben. Die Frau ist (und bleibt) durch die Kriegsereignisse schwerst geschädigt, kämpft sich im ehemaligen Feindesland mühsam durch, und das ohne Sprachkenntnisse. Gewalt in vielen Facetten durchzieht den Text, neben wenigen Momenten tiefster Liebe und neben leisen Tönen, die unversehens in Schmerzensschreie umschlagen.
Der Junge ist seit seinem jüngsten Kindesalter der Dolmetscher für eine Frau, in deren Sprache es kaum einen Ausdruck für Liebe gibt; ein Übersetzer zwischen ihr und dem Alltag, zwischen ihr und Amerika. Er selbst wechselt fliessend zwischen den Sprachen, trägt aber sein Englisch lediglich wie eine Maske. Zur Stärke verurteilt, lastet auf seinen schmalen Schultern das Gewicht einer allzu niederdrückenden Welt: Amerika, ein schönes Land, je nachdem, wohin du blickst und vor allem: je nachdem, wer du bist.
Dieser Brief wirkt wie ein Exorzismus, allerdings nur für den Sohn. Die Mutter kann sich nicht von ihren Traumata befreien. Und da er weiss, dass seine Ma Analphabetin ist, kann er schonungs- und bedenkenlos berichten und damit seine eigenen Lasten abwerfen. Vuong liefert eine Ansammlung von Situationen, die meisten geprägt und verursacht durch das fremd Sein. Kein Wort ist zu viel, und jedes einzelne trifft.
"Little dog" ist nur einer der vielen Namen des Jungen, aber der einzige, den der Leser erfährt, vielleicht deshalb, weil der Roman zumeist in der Ich-Form erzählt ist. Doch der Autor wählt zwischendurch auch die 3. Person. Dieser Umstand und dass es fortwährend Zeitsprünge gibt, macht das Leseverständnis mühsam. Man muss auch schon tief ins Buch gedrungen sein, um die einzelnen Personen klar zu erkennen, etwa, wer Lan ist.
Man merkt, dass Ocean Vuong auf der Lyrik aufbaut, in der er sich bereits einen Namen gemacht hat. Die Sprache ist ausserordentlich poetisch und zart wie das Reh auf dem Coverbild, voller Metaphern, literarisch hochwertig. Genial finde ich seine Art, wie er stockendes Berichten formal ausdrückt, das ist mir so noch nirgends begegnet. Und immer wieder durchziehen Monarchfalter den Text, als Sinnbild für Migration, unstetes Leben, Verletzlichkeit, Heimatlosigkeit.
Es steht zwar nirgends explizit, dass der Text autobiografisch ist, dennoch kann es fast nicht anders sein, wenn man sich mit der Vita des Autors befasst. Dass man hierzulande nur wenige vietnamesische Autoren kennt, mag unter anderem daran liegen, dass die Welt sich eher dafür interessiert, was Siegermächte zu sagen haben und nicht die Kriegsverlierer in fernen Teilen der Welt. Ich bin aber davon überzeugt, dass mit diesem Roman von Ocean Vuong das Augenmerk zukünftig vermehrt nach Südostasien gelenkt wird. Ein einzigartiges Buch, ein hervorragender Debutroman!

Auf Erden sind wir kurz grandios
von Ana
„Ma, du hast mir einmal gesagt, dass Erinnerung eine Entscheidung ist. Aber wenn du Gott wärst, wüsstest du, es ist eine Flut.“
Migrationsroman, Coming-out-Memoir und Totenbuch für einen drogensüchtigen ersten Liebhaber.
Als Lyriker bekannt, brauchte Ocean Vuong fast 8 Jahre, um diesen autobiografischen Roman zu schreiben.
In Saigon geboren, über ein Flüchtlingslager auf den Philippinen in die USA gekommen. Vuong konnte aufgrund seiner Legasthenie bis zu seinem 11. Lebensjahr so gut wie nicht lesen. 10 Jahre später studierte er Englisch am Brooklyn College und ist jetzt einer der lesenswertesten Lyriker der USA.
In kurzen Absätzen verpackt er vom ersten Satz bis hin zum Letzten all sein Talent und Können. Dabei verliert er in keinem Moment Schönheit und Gefühl. Durch seine vietnamesischen Wurzeln bringt Vuong eine gängige Schreibform des Ostens in den Westen, und wir können uns glücklich schätzen, so eine ‚Kulturmischung‘ vor uns zu haben.
Dieser Roman ist ein Brief an seine analphabetische Mutter.
Auf jeden Fall mein Buch des Jahres!

Auf Erden sind wir kurz grandios
von Barbara Kumpitsch
Dieser junge Autor ist 235 Seiten lang grandios. Der Brief, den er seiner Mutter schreibt, die Analphabetin ist, erschüttert nicht nur die Leser, auch in ihm kommen Erinnerungen hoch, die er gar nicht haben kann. Die Traumata seiner Mutter und seiner Großmutter Lan, die sie im Vietnamkrieg erlitten haben, wirken weiter, auch in Amerika. Gerade dort, wo viele Existenzen zusammenkommen, wo sich Identitäten neu erfinden, ist auch ein Krieg und rohe Gewalt spürbar. Ocean Vuongs Sätze sind wie ein Gedicht, das schwer zu entschlüsseln ist, das sich dank der vielen zarten Momente nicht wie eine Tracht Prügel anfühlt!
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