Nachtfrauen
Hardcover
Suhrkamp Verlag (2023)
294 Seiten; 215 mm x 135 mm
ISBN 978-3-518-43133-7
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€ 24,70
Besprechung
»... ein Roman von hoher zeithistorischer Relevanz und literarischer Qualität.« ORF 20231101
Langtext
Aus dem Leben dreier Generationen von Frauen und ihrem Ringen um Autonomie
Als Mira ins Auto steigt, um sich auf den Weg nach Südkärnten zu machen, weiß sie, dass ihr schwierige Tage bevorstehen: Ihre alte Mutter muss auf den Auszug aus dem Haus vorbereitet werden, in dem sie vor Jahrzehnten als ungelernte Arbeiterin mit den damals noch kleinen Kindern Obdach gefunden hat. Tatsächlich verdichten sich im Lauf der folgenden Wochen die Erinnerungen an eine als traumatisch erlebte Kindheit, die vom frühen Tod des Vaters genauso belastet war wie von der rigiden patriarchalen Ordnung und den Dogmen der katholischen Kirche. Die alten, unaufgelösten Konflikte verschaffen sich neuen Raum, und Mira beginnt zu verstehen, dass sie von den lang beschwiegenen Lebensgeschichten ihrer Ahninnen befeuert werden: Tagelöhnerin die eine, die unter dramatischen Umständen ums Leben kam, Partisanin die andere, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr nach Kärnten zurückkehrte.
In eindringlichen Bildern erzählt Maja Haderlap in ihrem neuen Roman aus dem Leben dreier Generationen von Frauen, von ihren Verstrickungen in aufgezwungene und verinnerlichte Leitbilder und ihrem Ringen um Autonomie. Die Geschichte der Nachtfrauen ist eine der Verluste, des Schweigens und der Schuld, in der trotz allem die Nachsicht und der Respekt füreinander, vielleicht sogar die Liebe, nicht aufgegeben werden.
Rückkehr ins Heimatdorf
Nachtfrauen
Kern der Handlung ist der Besuch von Mira, einer inzwischen in Wien lebenden Frau, bei ihrer nunmehr pflegebedürftigen Mutter Anni in Südkärnten. Während der Bruder dafür plädiert, Anni ins Altersheim zu geben, versucht Mira, einen Weg zu finden, um mit den Konflikten umzugehen. Es geht dabei nicht nur um familiäre Auseinandersetzungen, sondern wird verwoben mit Erinnerungen an die Kindheit: Die Vergangenheit wird wieder präsent und eröffnet damit auch neue Perspektiven auf das Leben im Hier und Jetzt, denn die Beschäftigung mit dem einst Erlebten verändert den Blick auf die eigene Mutter und schließlich auf die Großmutter. Mira entdeckt starke, unerschrockene Frauen – „Nachtfrauen“ eben. Anni, die die eigene Mutter Agnes ebenfalls zu zeichnen beginnt, vergleicht sie mit einer „Bergkönigin“: „Wenn ich meine Mutter zeichnen wollte, würde ich sie als dunkle Bergkönigin zeichnen, die im Eis lebt und die Eigenschaft hat, an manchen Tagen als Riesin aufzutreten, an anderen hingegen als durchsichtiges Geschöpf, überlegte Anni."
„Nachtfrauen“ ist ein unbedingt lesenswertes Buch, das reiche Erkenntnisse über die Bedeutung von Sprache und das Politische in der Literatur bietet und gleichzeitig den Kampf um kulturelle Identität in die wunderbare Kulisse des Kärtner Südens verlegt: Dort beginnen die „dunklen Bergköniginnen“ zu leuchten und die Lektüre wird zum Hoffnungsträger für alle „Nachtfrauen“, die im Verborgenen Großes vollbringen!
Ein außergewöhnliches Buch, das mich tief berührt hat