Rezensionen

Rezensionen von bibuschka

Autor: Laëtitia Colombani

wer anderen hilft, dem wird geholfen - 3 Sterne

Im Zentrum des Romans „ Das Haus der Frauen“ von Laetitia Colombani steht das Pariser Frauenhaus, das das Bindeglied zwischen den zwei Handlungssträngen des Romans darstellt. Die Protagonistin der Gegenwart ist Solène, die inmitten einer psychischen Krise realisiert, dass sie es nicht geschafft hat, sich von den Wunschvorstellungen ihrer Eltern zu lösen. Auf Anraten ihres Therapeuten geht sie einer allgemeinnütziger Arbeit nach, die sie im Frauenhaus findet. Dort trifft sie auf ergreifende Einzelschicksale und die ganze Bandbreite an zwischenmenschlicher Interaktion.

Im Mittelpunkt der zweiten Erzählebene, die 1925 in Paris verortet ist, steht Blanche, eine historisch reale Person. Sie hat im Rahmen ihrer Profession bei der Heilsarmee ein leerstehendes Hotel gekauft und renoviert, das das erste Frauenhaus wurde.

Mein Fazit:

Meine Einstellung zu dem Roman ist ambivalent. So zeugt der flüssige Schreibstil und die das Fokussierte des Erzählten meines Erachtens von Schreibtalent. Auch hat das Buch mich emotional berührt und gut unterhalten.

Nicht so gelungen finde ich die Ausarbeitung der beiden Protagonistinnen. So bedient Solène meiner Meinung nach zu viele Klischees: Karrierefrau zerbricht, weil sie unreflektiert die Erwartungshaltung ihrer Eltern übernimmt. Für mich ist dieser infantile Blick einer intelligenten Frau mit beruflichem Erfolg nicht stimmig und zeugt von zu wenig Eigenverantwortung.

Auch Blanche wirft als Romanfigur Fragen bei mir auf. Ich finde sie stereotyp, sie zeigt keine persönlichen Eigenschaften neben dem, was man auch bei Wikipedia über sie erfahren kann, so als hätte sich die Autorin nicht getraut, ihr ein menschliches Gesicht zu geben.

Alles in allem ein lesenswerter und kurzweiliger Roman.
Autor: Mary MacLane

historisches Tagebuch eines rebellischen Teenies - 5 Sterne

Das Buch „Ich erwarte die Ankunft des Teufels“ von Mary MacLane beinhaltet die authentischen Tagebuch-Aufzeichnungen einer 19-jährigen im Jahr 1901. Mary lebt mit ihrer Familie in einer Bergarbeiterstadt in Montana, die vom Arbeiterleben ohne gesellschaftliche oder kulturelle Höhepunkte geprägt ist.
Das Tagebuch bildet zum einen die gesellschaftlichen Zwänge, denen insbesondere die Frauen im Amerika des fin de siècle unterworfen waren, ab. Zum anderen lässt die Gedankenwelt der Autorin aber auch interessante Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit zu. So zeigt Mary typische Merkmale einer pubertierenden Jugendlichen, die zwischen gefühlsbezogenen Extremen hin- und herspringt. Auch ihr völlig überzogenes Selbstbild der Überlegenheit lässt Rückschlüsse auf ihr Alter zu. Im Zentrum ihres Daseins steht die unendliche Langweile und intellektuelle Unterforderung, auf die sie mit Provokation reagiert. Tatsächlich wurde ihr Tagebuch damals veröffentlicht, was einen Skandal heraufbeschwor. Letztlich gelang es ihr dadurch, ihrem Leben eine andere Richtung als dem vorgezeichneten Weg zu geben.
Mein Fazit:
Ein hochspannendes Psychogramm einer Jugendlichen, die zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort unter anderen gesellschaftlichen Randbedingungen gelebt hat. Mir hat es sehr gefallen. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die gerne Biographien oder Individualschicksale lesen oder geschichtlich interessiert sind. Ich wünsche dem Verlag viel Erfolg!

melancholische Beziehungsgeflechte - 5 Sterne

Das Buch „Die Zeit der vergessenen Kinder“ von Charlotte Kliemann thematisiert die Auswirkungen von erlittenen Traumata auf die nächste Generation und auf Beziehungsgeflechte. Der Roman ist aus zwei Handlungssträngen aufgebaut. Im Zentrum des einen steht das Roma-Kind Rubina, die 1941 zusammen mit ihrer Familie die Greuel des Nationalsozialismus durchstehen muss. Der Protagonist des zweiten Handlungsstrangs ist Rubinas Sohn Martin im Jahr 2004. Er hat eine gescheiterte Ehe hinter sich und zwei Kinder, als sich das zarte Pflänzchen einer neuen Beziehung zu Claudia anbahnt. Ähnlich seiner eigenen Vorgeschichte hat auch sie negative Lebenserfahrungen im Gepäck, die das Zusammenkommen und Aufrechterhalten einer Beziehung zu einem Drahtseilakt werden lassen.

Mein Fazit: Dieser Roman hat mir als Leser alles geboten, was ich an guten Büchern schätze. So besticht er durch Vielschichtigkeit und komplexen Charakteren, was den Fortgang der Geschichte unabsehbar und dadurch spannend macht. Die Sprache ist bildreich und lässt den Leser Teil des Geschehens werden. Zumindest ich als Leser war durchgängig emotional involviert. Die Geschichte um Rubina schockiert, aber auch die Erzählebene der Gegenwart hat meines Erachtens viel Potential. So gelingt es der Autorin meiner Meinung nach hervorragend, dass Wechselspiel aus Nähe und Distanz, Unsicherheit und Anziehungskraft, Egozentrismus und Zweisamkeit zu zeichnen. Unbedingte Leseempfehlung für alle, die melancholische Psychogramme mögen und Geschichten, die stark emotional involvieren.
Autor: Prescott, Lara

weibliche Spionage im 2. Weltkrieg - 4 Sterne

Der Debütroman „Alles, was wir sind“ von Lara Prescott ist eine Geschichte über Spionage während des 2. Weltkriegs, die sich um das Buch Dr. Schiwago von Pasternak rankt. So gibt es auf amerikanischer Seite eine Personengruppe, die das Buch unbedingt in ihren Besitz bringen will, während die sowjetische Seite genau das zu verhindern sucht.
Hauptspione und Protagonistinnen sind die amerikanische Sally Forrester und sowjetische Irina Drosdov. Dabei geht es um eine geschmuggelte Kopie von Dr. Schiwago, die in die USA gelangt und als Vorlage für viele weitere Kopien dienen soll, um die öffentliche Meinung in der UdSSR zu beeinflussen.

Mein Fazit:
Mir gefällt dieser Roman ausnehmend gut. Beeindruckend mit wie viel Einfühlungsvermögen die Autorin die damaligen gesellschaftlichen Strukturen nachzeichnet, insbesondere im Hinblick auf die Geschlechterrollen am Arbeitsplatz in Amerika. In der UdSSR hingegen wird ein Bild des Angst- und Überwachungsregimes gezeichnet.Mir hat diese Geschichte großes Lesevergnügen bereitet.
Autor: Heike Franke

Ein erfrischender Roman über Selbstfindung - 5 Sterne

Der Roman "Die Stille der Savanne" von Heike Franke handelt von einer Frau, deren Leben dadurch aus den Fugen gerät, dass ihre Partnerschaft zerbricht. Nach Irrungen und Wirrungen begibt sie sich auf eine Reise nach Kenia und findet in der Savanne Afrikas nicht nur die Big Five, sondern auch zu sich selbst zurück. Die Geschichte thematisiert Verlust und Selbstfindung, Familienkonflike vor kenianischer Kulisse.

Mein Fazit: Dieser Roman hat mir alles geboten, was ich liebe. Nicht grundlos habe ich das Buch innerhalb von vier Wochen gleich zweimal gelesen. Neben dem erfrischend detailverliebten Schreibstil, fand ich es außergewöhnlich, dass ich mich bereits nach 3 Sätzen mitten in der Geschichte wiederfand, so dass für mich das "Aufwärm-Lesen" komplett entfiel. Desweiteren fand ich es sehr beeindruckend, wie es der Autorin gelang, die afrikanische Kulisse in meinem Kopf zu erschaffen. Die Geschichte selbst liest sich trotz der Detailtiefe flott und flüssig. Alle Charaktere sind dreidimensional und frei von Klischees. Ganz besonders beeindruckend fand ich den unverklärten Blick der Autorin auf Kenia. So wurde hier weder das bruchfreie Paradies dargestellt, noch mit westlicher Arroganz auf Missstände hingewiesen. Ich fand die Beschreibungen sehr autentisch, was mir ausnehmend gut gefallen hat.
Insgesamt verdiente 5 Sterne von mir. Absolute Leseempfehlung an alle Belletristik-Liebhaber.

3. Reich meets Bauernhof im Grenzgebiet - 5 Sterne

Inhaltsangabe:
Gegenstand des Romans „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ von Hanni Münzer ist die autobiographisch gefärbte Geschichte der Familie Sadler zwischen 1928 und 1946. Zum Haushalt der Sadlers gehören neben der Schwiegermutter das Ehepaar Laurenz und Annemarie, deren zwei heranwachsende Töchter sowie die polnischen Hausangestellten Oleg und Dorota. Durch familiäre Zwänge müssen Laurenz und seine Frau unerwartet das Stadtleben aufgeben und den elterlichen Hof in einem Dorf nahe der polnischen Grenze übernehmen, wenngleich sie ursprünglich einen völlig anderen Lebensentwurf hatten. Zudem erschweren die Spannungen zwischen Annemarie und ihrer Schwiegermutter das Zusammenleben. Die eigentliche Protagonistin der Geschichte ist Kathi, die älteste Tochter, die in der Pubertät durch das Überschreiten von Grenzen und ihre Hochbegabung die Familie in den Fokus stellt. Um Ihr Kind zu schützen, tritt Annemarie eine Lawine los, die lange bei ihrer Tochter nachhallt. Ein Familiengeheimnis und der Umgang damit lassen Schwiegermutter und –tochter einander näherkommen.
Mein Leseeindruck:
Der Autorin gelingt es, über dreidimensionale Charaktere und deren Interaktion eine Atmosphäre zu schaffen, die mit jeder Seite an Kurzweiligkeit gewinnt. Sie thematisiert das 3.Reich ohne sich der gängigen Klischees zu bedienen. Insgesamt ein gelungener Roman, der in flüssigem Stil geschrieben ist. Ich möchte eine Leseempfehlung aussprechen.

Wo Schatten ist, ist auch Licht - 5 Sterne

Im Zentrum des Buchs „Die Zeit des Lichts“ von Whitney Sharer steht die Lebensgeschichte der realen Person Lee Miller, die als Geliebte des berühmten Künstlers Man Ray nie den Weg aus seinem langen Schatten fand. Sie selbst war zunächst ein Mannequin, später dann Fotografin.
Dieser opulente ergreifende Roman und die Details aus Millers Leben haben mich extrem gefesselt. Dabei gefällt mir der nüchterne und distanzierte Schreibstil der Autorin, die den Leser tief in das Leben der Protagonistin als Journalistin während des 2. Weltkriegs eintauchen lässt. Man erlebt den unabhängigen Freigeist Miller und begegnet der Künstlerszene von Paris in den 1920ern und 30ern. die Geschichte zeichnet sich durch Lebendigkeit aus. ich kann kaum aufhören, über das Ende nachzudenken. Was für ein großartiges Buch
Autor: Gesa Neitzel

In einer Nacht durchgelesen - 5 Sterne

In dem Buch The Wonderful Wild skizziert Gesa Neitzel ihren Weg, die in der Wildnis Afrikas gesammelten Naturerfahrungen in den deutschen Alltag zu übertragen. Dabei stehen die innere Stimme, die Eingebung und der Instinkt im Zentrum der Wie-Frage nach der Einsetzbarkeit in der westlichen Welt. Die Autorin baut Ihre Argumentationskette auf der Schilderung auf, wie sie das erste Mal im afrikanischen Busch allein auf ein wildes Tier ganz in ihrer Nähe getroffen ist und welche Auswirkung dieser naturnahe Moment auf ihre Empfindungen hatte. Diese Erfahrung war derart nachhaltig, dass sie sich im Nachgang intuitiv hat leiten lassen und den für sie passenden Lebensweg als Rangerin gewählt hat.
Ich finde das Buch in mehrerlei Hinsicht sehr gelungen. So drängt es sich zum einen nicht als Ratgeber auf, sondern wird als individueller Denkansatz deklariert. Auch gefällt mir, dass die Autorin versucht, beide Welten miteinander zu harmonisieren, anstatt gegeneinander abzugrenzen. Auf jeder Seite springt mich darüber hinaus zwischen den Zeilen der große Respekt vor der Natur und dem Getier an, was mir die Autorin mit ihrer Lebenseinstellung sehr sympathisch macht und dazu führt, dass ich mich gerne auf ihren Gedankengang einlassen mag. Hinsichtlich des Hauptmotivs des Buches, welches das Zulassen von Bauchgefühl in unserer verkopften Welt darstellt, sehe ich eine Identifikationsbasis.
Zusammenfassend möchte für all diejenigen eine unbedingte Leseempfehlung aussprechen, die auch offen für Denkansätze jenseits der wissenschaftlichen Belegbarkeit sind. Mir hat es gefallen. Ich wünsche der Autorin zwischen den Welten weiterhin viel Erfolg.
Autor: Ulrich Alexander Boschwitz

Die Weltwirtschaftskrise aus der Froschperspektive - 5 Sterne

Der Roman „Menschen neben dem Leben“ von 1937 lässt den Leser am Überlebenskampf einer Handvoll Personen am untersten Rand der Gesellschaft in der Zeit zwischen den Weltkriegen teilhaben. Allen ist der unverschuldete gesellschaftliche Absturz gemeinsam. So liegen die Ursachen dafür im Bereich der Arbeitslosigkeit, geistiger Behinderung oder Kriegsversehrtheit. Im Zentrum des Geschehens steht die Kneipe „zum fröhlichen Waidmann“, in der unter Alkoholeinfluss ein Konflikt untereinander eskaliert.

Der Roman lebt vom Umgang mit der Perspektivlosigkeit nach dem gesellschaftlichen Fall. So äußert sich die Hilflosigkeit und Frustration eines der Protagonisten in Aggressivität, während ein weiterer sich durch Übernahme von Verantwortung für den Schwächsten der Gruppe hervortut. Ein Dritter zeichnet sich durch Abkehr von der gesellschaftlichen Ethik aus, die sich darin äußert, dass er sich seinen gesellschaftlichen Platz auf illegalem Weg zurückerobern möchte.

Insgesamt gelingt es dem Autor hervorragend, in nüchternen Worten ein düsteres Gesellschaftsbild zu skizzieren, in der für die Ärmsten die Sicherstellung der elementarsten Grundbedürfnisse nicht gegeben ist und die eine so hohe Durchlässigkeit aufweist, dass ein gesellschaftlicher Absturz eine reale Bedrohung für große Bevölkerungsanteile darstellt. Faszinierend, wie der Autor die Froschperspektive dazu benutzt, die Gesellschaft zu sezieren. Dass das Buch von einem Zeitzeugen verfasst wurde, erhöht die Authentizität und ermöglicht mir als Leser, tief in eine vergangene Zeit und ins Proletariat einzutauchen. Auch fällt mir positiv auf, dass die Protagonisten sämtlich komplex sind, ohne Stereotype zu bemühen. Unterhaltsam, mit welch leisem Spott der Erzähler bisweilen auf die Akteure blickt. Ich möchte die Lektüre des Romans uneingeschränkt empfehlen!

Von Individuen im Geflecht einer Großfamilie - 5 Sterne

Der Roman „Der größte Spaß, das wir je hatten“ von Claire Lombardo thematisiert das Familienleben der Sorensens. Im Zentrum stehen neben dem Elternpaar die vier erwachsenen Töchter. Die Geschichte ist aus mehreren Erzählebenen aufgebaut, die insgesamt einen Zeitraum von 40 Jahren umspannen.
Der Roman lebt meiner Auffassung nach nicht von der Handlung an sich. Vielmehr stehen das Innenleben der Einzelnen und die Wahrnehmung der anderen durch die eigene, subjektive Brille der Figuren im Vordergrund. Mir gefällt, dass keiner der Handelnden selbstreflektiert in Erscheinung tritt. So erfolgt die Charakterisierung aus dem Blickwinkel der Familienmitglieder.
Die wechselnde Erzählperspektive, die die Figuren einzeln von innen beleuchtet, stellt auf erfrischende Weise das Spannungsfeld zwischen Sein und Schein in den Vordergrund. Da die Handelnden aber emotional miteinander verbunden sind, geht man liebevoll miteinander um. Das Glück darf Sprünge haben.
Ein großartiges Buch, das ich nicht aus der Hand legen mochte. Ich möchte es als uneingeschränktes Lesevergnügen weiterempfehlen. Der Autorin wünsche ich einen großen Erfolg und hoffe, bald mehr von ihr zu lesen.