Rezensionen

Sonja Kienzl

Autor: Michael Houellebecq

Kein Titel - 5 Sterne

„Aller Konservatismus wurzelt in intellektueller Faulheit.“ Der französische Autor erweist sich in seinem neuen Essayband einmal mehr als Provokateur, zeigt sich aber auch als Moralist, wobei sich der Leser fragt, welcher Standpunkt ihm genehmer ist. Seine eigenwilligen Ansichten beziehen sich stets auf aktuelle Themen und Herausforderungen unserer Zeit, wobei er anhand von Feststellungen Prognosen abgibt. Houellebecq will in seinen Büchern die Ängste unserer Epoche spiegeln und sieht die Literatur als Mittel, um dem Leben zu entfliehen. Die Sammlung von Essays, die erstmals ins Deutsche übersetzt worden sind, behandelt Themen, die in Zeiten der Corona-Pandemie wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Einheit führt laut seiner Theorie nicht zwangsläufig zu Stärke, ebenso wie Europa scheitert, weil es weder eine gemeinsame Sprache, noch gemeinsame Interessen hat. Michel Houellebecq gibt Denkanstöße, welche in einer politisch korrekten und auf Effizienz und Erfolg getrimmten Gesellschaft gerne negiert werden. So schreibt er beispielsweise über die Relation zwischen Tod durch Corona und Altersstruktur der Opfer oder über einen Fall von klinisch herbeigeführter Sterbehilfe bei einem Wachkomapatienten. Sein Gespräch mit dem Journalisten Geoffroy Lejeune über die Stellung der katholischen Kirche in unserer Zeit wirft eine intellektuell anregende Diskussion auf, welche neue Aspekte des Themas beleuchtet. Durchaus bemerkenswert!

Kein Titel - 5 Sterne

Der Nuklear-Thriller fußt auf der Konstruktion der sogenannten “Zar-Bombe”, einer 27 Tonnen schweren Atomwaffe, die den Amerikanern die immense Schlagkraft des sowjetischen Reiches vor Augen führen sollte. KGB-Major Alexander Wassin untersucht Anfang der Sechziger Jahre den Tod des jungen Wissenschaftlers Fjodor Petrow, der mit einem radioaktiven Schwermetall vergiftet wurde. Die beklemmende Atmosphäre der Einschüchterung und des Vertuschens von unangenehmen Wahrheiten spannt einen Bogen in die russische Gegenwart. Hier wie dort wird die politische Meinung gleichgeschaltet, um einigen wenigen den Machterhalt zu garantieren. Russlands Bestreben, auf dem Gebiet der Atomwaffen mit den USA gleichzuziehen, verspricht eine Souveränität, welche die Abrüstungsfrage inzwischen wieder um Jahrzehnte zurückwirft. Der Autor gilt als renommierter Journalist und Experte für russische Politik und Geschichte. Aufgrund seiner Herkunft bewegt er sich mühelos zwischen den Kulturen. Er führt den Lesern eine Welt vor Augen, die zum Nachdenken anregen soll angesichts der mittlerweile schwindenden Angst vor einem Atomkrieg. Owen Matthews zeichnet das Bild einer kalten, monozerebral agierenden Gesellschaft, in der Misstrauen und Egoismus vorherrschen. Die Sorge, der Einsatz der Bombe könnte eine unkontrollierbare Kettenreaktion des Wasserstoffs auslösen, der die Erdatmosphäre bei der Detonation in Brand setzt, schwebt wie ein Damoklesschwert über dem stringent erzählten Buch. Spannende Unterhaltung für politisch interessierte Leser!
Autor: Julia Engelmann

Kein Titel - 4 Sterne

„Wir sind immer zu Hause, wo Wachbleiben schöner als Träumen ist.“ Julia Engelmanns Zeilen pulsieren im Rhythmus ihres Herzens; es scheint, als fließen ihre Gedanken direkt auf das Papier, ohne den Kontrollpunkt eines zensierenden Verstandes zu passieren, der im allgemeinen Gefühle auf die Waagschale legt wie harte Fakten. Ihre Buchstaben und Wörter bewegen sich tänzerisch über die Seiten und Stimmungen und Emotionen fügen sich zu einer Momentaufnahme, die mal anrührend und mal heiter ausfällt, aber immer greifbar bleibt. Die Autorin lässt ihre Leser an ihren Gedanken teilhaben, nimmt sie mit in ihre Gefühlswelt und bringt Vieles auf den Punkt, was uns am Rande der großen Ereignisse so wichtig ist, dass wir es mit niemandem teilen. Julia Engelmann schüttet in ihrem Buch, das sie wie immer selbst illustriert hat, ein Füllhorn voller Sympathie aus, die sich wie ein warmer, tröstender Regen über den Leser ergießt.
Autor: Ulrich Strunz

Kein Titel - 5 Sterne

Geistige Fitness im Alter ist unabdingbar für die Lebensqualität und ein würdevolles Dasein. Erste Veränderungen in Richtung Alzheimer treten bereits fünfzehn Jahre vor den ersten Symptomen auf. Das Gehirn als zentrale Schaltstelle des Lebens benötigt Nährstoffe, die das Immunsystem stärken und Entzündungen vorbeugen. Der engagierte Internist erläutert in kurzen Abschnitten, welche Bedeutung Nahrungsergänzungsmittel, ein gesunder Schlaf, intensive Bewegung, eine heilende Sauerstoffzufuhr, Ausgeglichenheit und fortwährendes Lernen für das Gehirn haben. Um die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten, ist es wichtig, auf die richtige Ernährung zu achten und Entzündungen vorzubeugen. Motivierend und mit einer geballten Portion Zuversicht rät der Mediziner, die Verantwortung für die eigene Gesundheit konsequent selbst in die Hand zu nehmen, um der Degeneration frühzeitig entgegenzuwirken. Der Weg zur Apotheke und zur regelmäßigen Blutuntersuchung sollte zur Gewohnheit werden, um die Leitstelle des Körpers stets mit ausreichenden Nährstoffen zu versorgen. Viele Zivilisationskrankheiten lassen sich mit einer disziplinierten Lebensweise vermeiden. Dr. Strunz zeigt auf, was dem Gehirn schadet und was ihm hilft. Der handliche Ratgeber sollte immer griffbereit liegen, damit die Gesundheitsphilosophie auch tatsächlich in der Praxis Anwendung findet und die guten Vorsätze des Lesers nicht nur kurzzeitig aktiviert werden.
Autor: Saujani, Reshma

Kein Titel - 5 Sterne

Der Perfektionismus-Anspruch vieler Frauen führt dazu, dass sie auf Vorstandsebenen und in Sitzungssälen unterrepräsentiert sind. Die Autorin geht deshalb der Frage nach, wie es dazu kommen konnte, dass positive Attribute wie Selbstvertrauen und Selbstbehauptung gegen Anerkennung und Zustimmung eingetauscht wurden. Kompromisse werden allzu oft geschlossen, nur um gemocht zu werden und die Anstrengungen, sich überall beliebt zu machen, führen dazu, dass man sich am Ende selbst nicht mehr besonders mag. Der Geist des Perfektionismus saugt aus allem, was man erreicht, die Freude heraus, weil Erfolge nicht mehr gefeiert werden. Wenn statt eines konstruktiven Rats nur Missbilligung geäußert wird, führt dies auf Dauer dazu, jede kleinste Kritik persönlich zu nehmen. Mutig sein bedeutet, die eigenen Entscheidungen darauf auszurichten, was man selbst will und nicht auf das, was andere von einem erwarten. Mut macht frei und gibt Kraft, die eigene Stimme zu erheben und aufzugeben, was einem unglücklich macht. Anhand praktischer Beispiele motiviert die Autorin ihre Leserschaft, mehr Gelassenheit an den Tag zu legen und nicht alten Denkmustern zu entsprechen, die ihren Ursprung in der Erziehung haben. Sich zugestehen, auch einmal scheitern zu dürfen, stärkt den Charakter und verleiht Glaubwürdigkeit.

Kein Titel - 5 Sterne

Als Historiker gehört es für den Autor des Kriminaldramas zur beruflichen Praxis, in Archiven nach alten Dokumenten, Briefen und Zeitungsartikeln zu recherchieren. Der Fall des Allgemeinmediziners Dr. Erich Mühe, der im Frühjahr 1932 spurlos verschwand, fesselte seine Neugier und ließ ihn tief in jene Zeit eintauchen, in welcher der Berliner Kommissar Ernst Gennat die Arbeit des Morddezernats revolutionierte. Anhand von Zeugenaussagen kristallisiert sich das faszinierende Porträt eines enigmatischen Mannes heraus, der sich der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit entzog und dessen Leben sich am Rande eines Abgrunds abspielte – genau wie die Epoche, in der das semifiktionale Buch spielt. Das Verschwinden des wohlhabenden Arztes zieht weitere Intrigen nach sich, von denen einige den Tod bringen werden. Die tiefgründige Schilderung der Ereignisse lebt von der Akkuratesse des Historikers, der die Fakten um Interpretationen und Schlussfolgerungen erweitert und die Spurensuche in der Vergangenheit zu einem bestrickenden literarischen Crescendo anschwellen lässt. Der Leser, der Regina Stürickows authentische Berichte zu schätzen weiß, wird hier ebenso gespannt am Ball bleiben wie bei Kultautor Volker Kutscher. Präzise gezeichnete Figuren offenbaren sich dem Leser und entziehen sich ihm dann wieder, was den Spannungsbogen mit jedem Kapitel weiter in die Höhe treibt. Im Kontext der historischen Ereignisse sind die Vorgänge wie eine Bestätigung der allgemeinen Abkehr von Anstand und Moral zu deuten.
Autor: Joshua Wong

Kein Titel - 5 Sterne

Die Umsetzung von sozialer Fairness und Gerechtigkeit sind die wichtigsten Eckpfeiler jeder Zivilisation, für die unzählige Menschen mit ihrem Leben bezahlt haben. Hongkong ist eine Stadt, die nicht mehr britisch ist und nicht chinesisch sein will. Angesichts zahlreicher Restriktionen seit der Rückgabe der Selbstverwaltungszone an China, warteten Schüler und Studenten nicht ab, bis die Erwachsenen gegen die Einschränkungen des Nationalen Volkskongresses aktiv wurden, sondern übten in Massendemonstrationen Druck auf Peking aus. Das gebrochene Versprechen hinsichtlich einer Wahlreform und das gewalttätige Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten fungierte als Brandbeschleuniger der Unruhen, welche auf jahrzehntelangen Frustrationen über gravierende Ungerechtigkeiten beruhten. Joshua Wong ist das globale Aushängeschild des Widerstands gegen das kommunistische China. Die Regenschirm-Bewegung riss 2014 eine ganze Generation Hongkonger aus ihrer politischen Apathie. Die Doktrin „Ein Land, zwei Systeme“ ist mehr Mythos als Versprechen. Seit der Machtübernahme von Präsident Xi Jinping im Jahr 2012 steigerte sich der Zugriff Pekings auf die Hongkonger Gesellschaft zum Würgegriff. Hongkong befindet sich an einem existentiellen Scheideweg. Joshua Wong, der im September für die Parlamentswahlen kandidieren will, wendet sich in seinem Appell, seine Heimat politisch zu unterstützen, gezielt an ein internationales Publikum. Der Kampf gegen die Ausbreitung der Tyrannei, für freie Wahlen und eine dem Volk verpflichtete Regierung, führte viele Aktivisten ins Gefängnis, doch ihr Widerstandsgeist ist ungebrochen. Solange mutige Menschen wie Joshua Wong aufbegehren, um für ihre Rechte einzustehen, haben die Gegner der Autonomie nicht das letzte Wort.
Autor: Günther Moewes

Kein Titel - 5 Sterne

Der provokante Titel des fünfzig Wirtschaftskolumnen umfassenden Buches rechtfertigt sich durch die Argumentation des Autors, dass Großreichtum immer aus der Arbeit anderer entsteht und zudem nicht ausreichend besteuert wird. Lohndumping bei den Angestellten, Preisnachlässe bei den Zulieferern und Finanztricks auf Kosten der Öffentlichkeit entziehen der Allgemeinheit jenes Geld, das dann in Folge für Investitionen in wichtige Strukturen wie Straßeninstandhaltung, Krankenhäuser, Schulen oder Altersheime fehlt. Angesichts der Corona-Krise wundert sich der Autor, dass Regierungen zwar kaum noch Präventionsarbeit leisten, um sich gegen Probleme zu wappnen, jetzt jedoch Gelder lockergemacht werden können, die vorher mit der Begründung „nicht finanzierbar“ zurückgehalten wurden. Konzerne ziehen sich aus der Verantwortung, indem sie damit argumentieren, es würden Arbeitsplätze vernichtet, wenn Regierungen sie mit aus ihrer Sicht unnötigen Verboten und Regeln belegen. Die Klasse der Superreichen wurde zwar von niemandem gewählt und fühlt sich niemandem verantwortlich, spekuliert aber dennoch darauf, die Haftung für Verluste aus ihren Finanzgeschäften auf die Bevölkerung abzuwälzen. Das Lesen der Kolumnen, die in der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlicht wurden, wird den Wirtschaftskapitänen die Zornesröte ins Gesicht treiben, während der normale Arbeitnehmer durch die schonungslose und argumentative Rhetorik jenes kritische Rüstzeug fürs Leben erhält, welches für Denkprozesse auf Augenhöhe unabdingbar ist.
Autor: Ferdinand von Schirach; Alexander Kluge

Kein Titel - 5 Sterne

Zum Zeitpunkt der Ausgangsbeschränkungen während der akuten Phase der Corona-Pandemie führten die literarischen Juristen Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge ein philosophisches Gespräch über die weltweite Ausnahmesituation. Sie stellten fest, dass Reichtum und Macht keinen Schutz vor dem Virus bilden, die Folgen in Ländern ohne adäquate medizinische Versorgung jedoch ungleich brutaler ausfallen. Ärzte standen deshalb unter einer starken seelischen Belastung, weil sie statt zu heilen über den Tod entscheiden mussten. Räumlich umgrenzte Ereignisse wie z.B. Naturkatastrophen erschüttern das gesellschaftliche Gefüge nur kurz, während die schleichende Ausbreitung eines Krankheitserregers für größere Furcht sorgt. Das Virus bringt eine Zeitenwende mit sich, wobei Ferdinand von Schirach die beunruhigende Tendenz wahrnimmt, dass sich autoritäre Strukturen verfestigen, weil die Menschen in ihrem Bedürfnis nach Sicherheit weitgehende Einschränkungen in der Freiheit akzeptieren. Im Gespräch spannen die beiden Schriftsteller einen weiten Bogen von den Seuchen des Mittelalters über große Aufklärer und autoritäre Herrscher bis hin zur Feststellung, dass der Mensch die Chance nutzen sollte, innezuhalten und ein gerechteres und nachhaltigeres Gleichgewicht der Kräfte in der Welt zu schaffen. Die Eigendynamik des intelligenten Austausches zwischen den Autoren unterstreicht die Wichtigkeit von offenen Gesprächen, die neue Denkansätze generieren und den Geist herausfordern.

Kein Titel - 5 Sterne

Komplexe Themen lassen sich durch Infografiken klar und begreifbar aufbereiten. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert der Band „Finanzen verstehen“ aus der Buchreihe der Stiftung Warentest. Vielen Menschen fehlt das Grundverständnis für Finanzthemen, weil alle Aspekte, die damit zu tun haben, oftmals trocken und elitär behandelt werden. Das Kompendium der Wirtschaftsjournalistin Annika Krempel ist in Zusammenarbeit mit dem Grafiker René Reichelt entstanden und erläutert auf optisch ansprechende Weise Themen wie Altersvorsorge und Rente, Versicherungen für jeden Bedarf, Kapitalanlagen, Immobilienkauf, sowie Konsum- und Reiseaspekte. Obwohl sich viele Punkte auf bundesdeutsches Recht beziehen, kann auch der hiesige Leser viele interessante und topaktuelle Informationen für sich herausfiltern, die alle Lebensbereiche von der finanztechnischen Warte aus beleuchten und Tipps geben, wie am klügsten gespart und vorgesorgt wird. Ob es nun um Betreuungsverfügungen für den Krankheitsfall, Fragen zu Arbeitsunfällen, Immobilienkredite, Onlineshopping oder Entschädigungen bei Flugverspätungen geht, die Auskünfte sind präzise und verbindlich.