Rezensionen

Rezensionen von HEYN Leserunde Barbara Maria Angerer

Autor: Meier, Simone

Kunst von innen - 4 Sterne

Simone Meier hat mich mitgenommen in eine Geschichte über Kunst, Beziehungen, Obsession, Leiden, Lust und Sinnlichkeit. Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen und kam mir ein bisschen vor, wie zwischen Farbpigmenten und Pinselstrichen - irgendwie, wie Kunst von innen betrachtet. Es hat mir Lust gemacht, wieder Ausstellungen des Künstlers von Gogh und seiner Zeitgenossen zu besuchen und auch, noch andere Bücher der Autorin zu lesen. Für 5 Punkte hat es trotzdem nicht gereicht, dafür hat mir die Spannung gefehlt.
Autor: Schoeters, Gaea; Mensing, Lisa

... und die Moral von der Geschichte? - 5 Sterne

Mit ihrer Sprache im Roman „Trophäe“ gelingt es Gaea Schoeters, wundervoll intensive Bilder von Welten zu kreieren, die mir und wohl auch den meisten von uns, fremd sind. Von Jagdleidenschaft, Großkapitalismus, afrikanischen Stammesriten, Naturschönheit, Artenschutz, Spiritualität und Würde bis hin zu absolutem Grauen reicht der Bogen von Themen, die für mich sensationell ineinandergreifen.
Neben den eindrücklichen Bildern hat mich auch der Aufbau und die Inszenierung der Geschichte fasziniert und ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen - bis zu dem Punkt, als mir klar wurde, wie es weiter gehen wird. Ich war geschockt, empört, erschüttert - und fasziniert.
Das Buch hat in seiner Vielschichtigkeit für mich einen intensiven Nachklang und regt zu Diskussionen an.

Autor:

Faszinierend und mühsam - 4 Sterne

Anna Neata hat mit ihrem Debütroman Packerl ein literarisches „Kunst-werk“ geschaffen. Die Geschichte von 3 Frauengenerationen, leicht und flockig österreichisch erzählt, immer in äußerst kurze Sequenzen verpackt, berührt die Leserin. Sowohl die persönlichen Geschichten als auch die geschichtlichen und politischen Rahmenbedingungen kennen wir von der einen oder anderen Seite. Können mitgehen, mitfühlen und sind doch sofort wieder herausgeworfen, weil die Sequenzen so klein gehalten werden. Was bleibt, ist eine Art von Nicht-Verstehen oder Doch-Verstehen, immer im Abriss, mehr im Erahnen als im Wissen. So kann es uns Nachgeborenen gehen, wenn wir in die eigenen Familiengeschichten hineinsehen. Manches ist bekannt, vieles interpretiert, im Nachklang eventuell umgedeutet, schwierig bisweilen und mühsam. Was bringt der Blick zurück? Eventuell Verständnis, Mitgefühl, Einfühlungsvermögen – auch in das eigene Sein, in den Versuch und die Hoffnung, es stimmig für sich selbst hinzubekommen – das eigene Leben …

Ein gelungenes Werk, das Aufmerksamkeit verdient – Lesevergnügen hat es mir nicht bereitet. Ich bevorzuge einen geschlossenen Bogen in Erzählungen, dieses Werk ist mir zu „ausgefranst“.
Autor: Cullen, Lynn

Wissenschaftsgeschichte - immer noch top aktuell - 4 Sterne

Lynn Cullen beschreibt in ihrem Roman nach wahren Begebenheiten das Leben und Wirken der Ärztin und Wissenschaftlerin Dr. Dorothy Horstmann . Es geht um das Bemühen von Vielen, die schreckliche Kinderkrankheit Polio zu bekämpfen. Vorrechte, Eitelkeiten, Egoismen und das Ringen zwischen Männern und Missachtung gegenüber Frauen bekommen viel Platz. Das Thema ist hoch interessant und passt durchaus immer noch in unsere Zeit. Gerade weil bei der Entwicklung für die Impfung gegen Polio nicht alle Forschungsergebnisse offen und ergänzend behandelt wurden und bei der Produktion finanzielle Aspekte gegenüber der Sicherheit überwogen, kam es zuerst zu Impfschäden. Die Auswirkungen davon spüren wir heute noch in Form von Impfskepsis und Vorbehalten gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen - nicht nur zu Coronazeiten.

Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn es der Autorin nicht gelungen ist, mich tatsächlich zu berühren. Die Sprache und Erzählweise haben mich immer ein Stück auf Distanz gehalten. Schade, denn der Inhalt hätte viel mehr Potenzial - und trotzdem: unbedingt lesenswert!

Autor: Philipp Oehmke

Großartiges Sammelsurium gesellschaftspolitischer Themen - 5 Sterne

Der Autor, in seinem Hauptberuf Reporter für den „Spiegel“, vermischt die aktuellen Zeit-Themen so gekonnt zu einer Familiengeschichte über drei Generationen, dass es mir zum großartigen Lesevergnügen wurde. Die Erzählstränge der einzelnen Personen wurden geschickt verwoben, spannend erzählt und auf ein einziges Familienevent hin zugespitzt. Bei all den herausfordernden und tiefgründigen Themen ist es dem Autor hervorragend gelungen, vertraute Verhaltensweisen und Lebensstrategien anklingen zu lassen und doch durch die leichte Überzeichnung stets Leichtigkeit aufrecht zu erhalten.

Unbedingte Leseempfehlung!


Autor: Kubsova, Jarka

Ein großartiges Buch zur richtigen Zeit! - 5 Sterne

Jarka Kubsova rollt in ihrem Buch die Geschichte von zwei Frauen auf. Abelke lebt im Mittelalter und Britta heute. Abelke landet als erfolgreiche, alleinstehende Frau auf dem Scheiterhaufen. Britta muss sich aus ihrer Ehe befreien, um wieder erfolgreich und selbstbestimmt werden zu können.
Mit intensiven Sprachbildern hat mich die Autorin mit in die Geschichten genommen und tief berührt. Wie wenig haben sich Neid, Missgunst, Gier und Ausgrenzung verändert. Für mich passt das Buch sehr gut in das sich verändernde Zeitgeschehen und es hat auch die Feministin in mir wieder aufgerüttelt. Unbedingt lesenswert!
Autor: Anthony Mccarten

Fragen der Zeit auf den Punkt gebracht - 5 Sterne

Schon lange habe ich kein so spannendes Buch mehr gelesen und die Aktualität des Inhalts ist atemberaubend. Genauso stelle ich mir vor, dass unsere Welt funktioniert. Einige der im Roman beschriebenen Personen, Institutionen und Unternehmen sind aus der Fiktion sehr leicht in die Realität transformierbar. Äußerst geschickt baut der Autor unterschiedliche Wendungen ein und würzt die klare und lineare 0 und 1 Welt mit den unberechenbaren Gefühlen der Protagonisten. Ich bin begeistert vom Buch, betroffen vom Inhalt und auch durchaus entspannt, weil intrinsische Motivationen, Emotionen und Gefühle noch lange nicht bis ins „Letzte“ vorausberechnet werden können. Unbedingt lesenswert!
Autor: Annika Reich

Zu dicht und vielschichtig - 3 Sterne

Annika Reich zeichnet in schöner Sprache und flüssigem Schreibstil ein dichtes Bild von unterschiedlichen Frauenleben. Die Patriarchin manipuliert, dirigiert die Mitglieder der Familie wie Marionetten, von Männern gibt es nur vereinzelte Spuren.
Traumata blitzen bei jeder Frau durch das Geschehen, vieles wird erahnbar, manches eventuell im Laufe des Buches verstehbar – jedoch, Erzählstränge versanden oder bleiben vage. Aus der Ich-Perspektive des Kindes gelingen der Autorin wunderschöne, sehr einfühlsame Szenen und Bilder, aus der Ich-Perspektive der erwachsenen Frau, gelingt ihr dies weniger und die Verknüpfungen bleiben lose.
Das Buch hätte so viel mehr Potenzial, wenn Annika Reich dem sehr dichten Inhalt mehr Luft und Raum gegeben hätte. Ein bisschen kommt es mir vor, als habe die Autorin eine interessante und sehr schöne Geschichte nur mit Emojis erzählt.
Autor: Birnbacher, Birgit

Umbrüche - 4 Sterne

Birgit Birnbacher verwebt in ihrem Roman „Wovon wir leben“ unzählige Fragestellungen der Jetztzeit zu einem bunten Panorama von Lebensrealitäten. Allein die Eingangsgeschichte der Icherzählerin Julia, eine Krankenschwester in der Stadt, beschreibt dicht, kurz und relativ neutral die Situation und Herausforderungen der Menschen in diesem Beruf und ihre körperliche Reaktion darauf. Ihr bleibt die Luft weg. Sie beschließt, zurück in ihr Heimatdorf und in ihr Elternhaus zu gehen, um zu genesen und eventuell neue Perspektiven zu finden. Zurück in die Enge des dörflichen Lebens, mit all den gesellschaftlichen, persönlichen und auch landschaftlichen Begrenzungen. Dort begegnet sie Oskar, einem in der Stadt aufgewachsenen Mann, ebenfalls am Beruf erkrankt, der eine andere Perspektive einbringt. Dieser Perspektivenwechsel zwischen den Schicksalen, Herausforderungen, Geschichten und Gegebenheiten aller beteiligter Personen macht den Roman sehr bunt. Getragen durch sprachliche Feinheiten, hinterlässt er sowohl ein schales Gefühl als auch die Perspektive für Veränderung und Erneuerung.
Autor: Werner Herzog

Wir geben den Dingen ihre Bedeutung - 5 Sterne

Werner Herzog erschuf aus einer waren Begebenheit ein Buch – Drehbuch für den Kopf – in dem er detailreich beschreibt, wie wir den Dingen ihre Bedeutung zuschreiben. Der Soldat Onoda bekommt das Ende des Krieges nicht mit und gibt allen realen Ereignissen die Bedeutung, dass der Krieg immer noch andauert und er für sein Land kämpfen muss. Eine psychologisch beeindruckende Beschreibung, erfreulich kurz und fantasievoll.