Rezensionen

Rezensionen von HEYN Leserunde Ingrid Weilharter

Autor: Simone Meier

Ein Must have für alle Kunstliebhaber*innen.... - 4 Sterne

Der Roman hat auch mich "entflammt". Ich fand vor allem die historische Figur der Jo van Gegh sehr interessant und gut in Romanform gebracht. Die Gegenüberstellung mit der jungen perspektivenlosen Kunsthistorikerin Gina in der Gegenwart fand ich nicht so spannend, diese verblasst im Roman im Vergleich mit der historischen Kunstsammlerin. Während Jo als emanzipierte Vorreiterin in der Kunstszene ein klaren und schillerndes Profil im Roman erhält, wirkt die Darstellung der gegenwärtigen Gina farblos und langweilig.
Auf alle Fälle kann dieser Roman Kunstliebhaber*innen empfohlen werden.
Autor: Gaea Schoeters

Ein unmoralischer Mindfuck! - 2 Sterne

Also, ich hatte beimLesen dieses Buchen wirklich Schwierigkeiten. Grundsätzlich ist das Thema des Tötens von Menschen zur eigenen Triebbefriedigung von größter ethischer Relevanz und gehört, wenn unhinterfragt aufgegriffen, in das Genre eines Kriminalromans bzw. Thrillers. Da dieser Roman keneswegs in diesem Bereich angesiedelt ist, wurde mir beim Lesen schon immer wieder etwas mulmig zumute. Der Roman liefert über Strecken keine klare ethische Haltung zu diesem präkeren Thema! Vielmehr beschäftigt sich die Autorin ausgiebig mit den innerpsychischen Zuständen eines sozial abnormen reichen weißen Mannes, welcher seine Jagd auf Tiere und letztendlich auf Menschen zu rechtfertigen sucht. Die übertrieben ausführliche Exploration der (unlauteren) Jagdmotive von Hunter kam mir als Leserin manipulativ vor mit der Absicht, das Abnormale normal zu machen, den (Jagd)Triebtäter zu vermenschlichen bzw. seine Taten moralisch zu legitimieren. Erst zum Schluß hat man als Leserin den Eindruck, dass kritisch hinterfragt wird, wie das alles geschehen konnte. Für mein Dafürhalten viel zu spät. Davor nämlich muss man sich zu lange mit den machomäßigen Reden von Hunter und seinem Jagdkollegen herumschlagen, welche beide als bessere, weil moralisch vertretbarere Jäger ausweisen. Was will uns die Autorin damit sagen? Dass männlich weiße Überheblichkeit, in einen gesetzlichen Rahmen (Jagdlizenz) gestellt, legitim ist?
Was Gaea Schoeters gut gelingt, sind ihre Darstellungen über die Natur, die Tiere und die Lebensbedingungen in diesem wunderschönen Land. Da entstehen beim Lesen eindrückliche Bilder im Kopf, da wird auch ihre kritische Haltung klarer erkennbar. Daraus hätte man mehr machen können.
Autor: Anna Neata

Meisterhaftes Kunstwerk - 5 Sterne

Anna Neatas Erstlingswerk ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Erst einml ist es ein sehr berührendes Werk, ein subtil geschreibener Frauenroman über mehrere Genearationen greifend. Zärtlich und mitfühlend werden die Frauenschicksale erzählt, welche in ihrer Fragilität und dann auch wieder mit Standfestigkeit und Bodenhaftung ihr Schicksal meistern.
Neatas Roman funktioniert auch als fiktive psychologische Studie. Es geht um die Erkrankung der Depression, um deren Verankerung vor dem Hintergrund herausfordernder gesellschaftlicher Umbrüche und um deren generative Weitergabe.
Darüber hinaus ist der Roman ein zutiefst österreiches Werk. Er handelt von gesellschaftlichen Umbrüchen durch zwei Weltkriege, welche auch für die Frauen nachhaltige Auswirkungen hatten, von unterschiedlichen Lebensstilen der Stadt- und Landbevölkerung, anschaulich und gelungen sind auch die kurzen Ausflüge in die österreichische Politik nach dem zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart mit ihren besonderen Einschnitten.
Neatas Frauenfiguren kann man verstehen, man fühlt sich mit ihnen solidarisch und verbunden und gerät zeitweilig in Versuchung, in die eigene Biographie einzutauchen, um etwaiges Vergrabenes ans Tageslicht zu bringen. Zumindest mir als Leserin ging es so.
Und was mich zusätzlich fasziniert hat, ist die kunstvolle Sprache der Autorin als Stilmittel, welches erklärt und verwirrt zugleich und die Stimmungsbarometer der Protagonistinnen perfekt widerspiegelt.
Auf alle Fälle weiter zu empfehlen!
Autor: Cullen, Lynn

Was Frauen bewirken können... - 3 Sterne

Der Roman lässt uns auf eindrucksvolle Weise eintauchen in die Welt des Kampfes um einen Impfstoff, der die Poliopandemie in der Mitte des letzten Jahrhunderts zum Eindämmen bringen sollte.
Die fiktionale, auf dokumentarischen Material basierende Story handelt von Dominanz und Machtstreben, von Intrigen und Konkurrenzdruck, welche aufgrund der patriaralisch geprägten Gesellschaft ausschließlich über die männliche Seite repräsentiert war und auch davon, wie wenig Anerkennung Frauen in der medizinischen Forschung erfahren durften.
Die Darstellung der Figur der Dorothy Horstmann lässt uns erahnen, wie schwierig damals der Zugang für Frauen in die männlich dominierte Welt der Medizin war, als in der Gesellschaft die weibliche Rolle mit Reproduktion und Haushaltsführung verbunden wurde und darüber hinaus Frauen wenig bis nichts mitzureden hatten.
Durch Dr. Horstmanns sozial motivierte Leidenschaft und Besessenheit, an der Entwicklung eines lebensrettenden Impfstoffs gegen Poliomyelitis mitzuwirken, gelang ihr nicht nur die erfolgreiche Teilhabe zum Sieg über das Virus, sie leistete durch ihr Wirken und ihre Popularität auch einen emanzipatorischen Beitrag zur Akzeptanz von Frauen in wissenschaftlichen Berufen.
Historisch interessant, spektakulär und packend geschrieben, kann dieser Roman durchaus weiter empfohlen werden.
Autor: Philipp Oehmke

Wie Familie nicht funtionieren kann... - 5 Sterne

Mit "Schönwald" ist Oehmke ein großartiger Roman gelungen, welcher generationenübergreifend die deutsche (mitteleuropäische?) Seelnenlandschaft ins Visier nimmt. Getrieben vom Unmut zu Ehrlichkeit, emotionaler Betroffenheit und Konfliktbereitschaft kreiieren sich Scheinexistenzen. im Sinne einer "bewährten Überlebensstrategie".
Der Autor setzt all dies in ursächlichen Zusammenhang mit dem durchlittenen NAZI-Trauma, ja er scheint Schlüsse zu ziehen zwischen der nicht bewältigten Vergangenheit und einem daraus resultierenden allzu rationalen und emotional distanzierten Verhältnis in zwischenmenschlicher Beziehungen. Als Konsequenz werden nach dem Motto: Was nicht sein darf, ist nicht! Parallelwelten erschaffen, in denen die Protagonisten ständig am Straucheln sind. Das tradierte Lebensrezept, welches Ruth in ihrer Kindheit eingebleut wird, heißt dem entsprechend: Never complain, never explain! In spannenden, sich überstürzenden Ereignissen beschreibt Oehmke, wie dieses Lebenskonzept nicht funtionieren kann.
Oehmkes Roman funktioniert letztendlich deshalb, weil wir uns in dieser Geschichte wiederfinden. Ohne einen Lösungsweg vorgeben zu wollen, wird doch durch den Verlauf das Geschichte klar, worum es in einem geglückten sozialen Miteinaneder geht und was es braucht, dass Selbstfindung, Kongruenz und der Mut zur emotionalen Betroffenheit entstehen kann.
Hervorzuheben ist darüber hinaus der kreative Schreibstil des Autors, welcher kapitelweise alle seine Protagonisten entlang einer Geschehnis-Timeline auf die Bühne setzt, um ihre individuellen Sichtweisen und innerpsychische Befindlichkeit zu Wort kommen zu lassen. Sprachlich sehr versiert ist Oehmke in seinen Schilderungen schonungslos aufdeckend aber auch verständnisvoll, mit einem ironisch augenzwinkernden aber nie zynischen Blick auf die Geschehnisse.
Ein großartiger Roman, den ich weiterempfehlen möchte!
Autor: Jarka Kubsova

Sehr lesenswert! - 5 Sterne

Ein sehr eindrücklicher und subtiler Roman über Feminismus mit einer spannenden Verschränkung zweier Frauenschicksale aus zwei verschiedenen Jahrhunderten. Der Autorin ist hier ein großer Wurf gelungen, zumal sie es schafft, in der Gegenüberstellung von Historie und Jetztzeit auf traditonelle und noch immer resistente patriarchalisch geprägte gesellschaftliche Normen und Haltungen aufmerksam zu machen. Und somit auf die Wichtigkeit der Infragestellung dieser Werte in unserer Zeit.
Das Buch ist auch sehr spannend geschrieben, die beiden Erzählstränge gut aufeinander abgestimmt und miteinander verwoben. Einmal angefangen, kann man sich der Geschichte nicht mehr entziehen. Zumindest mir ist es so ergangen!
Autor: Anthony Mccarten

Willkommen in einer bedrückenden Realität - 4 Sterne

"Going zero" ist ein spannender Thriller, der sich dem sehr aktuellen und durchaus problematischen Thema der Datenüberwachung im Zeitalter ungeahnter technologischer Möglichkeiten widmet. Wieviel Privatsphäre, Anonymität und Intimität ist in unserer Gesellschaft noch möglich, inwieweit und in welchen Lebensbezügen darf der Mensch noch unentdeckt bleiben?
Viele technische Erungenschaften können der Gesellschaft von Nutzen sein, aber der Grad ist schmal, auf welchen aus gut und nützlich ein narzißtischen Machtinstrumentarium wird, um andere zu überwachen und zu kontrollieren. Diese durchaus bedrückende Erkenntnis wird vor allem im zwiespältigen Verhalten des Hauptprpotagonisten, welcher nicht prinzipiell aber, in Bedrängnis gebracht, sehr "böse" werden kann, anschaulich gemacht...
Anthony McCarten hat einen Roman geschrieben, welcher in seinem Handlungsstrang nicht immer nachvollziehbar, aber immer spannend und erzählerisch auf höchsten Niveau ist. Er ist empfehlenswert!
Autor: Annika Reich

Zurückgelassen in Verwirrung.... - 3 Sterne

Annika Reich hat auf alle Fälle ein sehr interessantes Buch geschrieben. Die Themenbereiche von Macht und Machtmissbrauch, Ausgrenzung und Funktionalität versus Individualität sind ja oft mit männlichen Rollen besetzt. Der edukative Missbrauch von Frauen an Frauen wird hingegen eher selten in der Literatur behandelt. Das heisst, das Thema an sich war für mich schon spannend.
Die Autorin besitzt auch eine schöne Erzählsprache und schreibt ich würde sagen - ambitioniert. Trotz all dem war für mich der Plot nicht wirklich in sich geschlossen, der Handlungsbogen nicht gespannt und Handlungsstränge am Ende nicht aufgelöst. Das heisst, keine Entwirrung der Verwirrung! Und was hat es jetzt wirklich mit den Männern auf sich, die in dieser Frauendynastie nicht sterben?
Im Nachhinein muss ich sagen, dass Titel und Handlung wohl nicht zusammenpassen oder ich habe diesen Kunstgriff nicht verstanden.
Autor: Birnbacher, Birgit

Hohe Kunst mit Verstörungsfaktor - 5 Sterne

Birgit Birnbacher ist ein großartiges Buch gleungen, welches durch einen sehr kunstvollen Schreibstil auffällt. Wie die Autorin Sätze aneinanderschmiegt und sie zum Klingen bringt, ihr Spiel mit einer sehr symbolischen Sprache, das ist reiner Kunstgenuss!
Inhaltlich wirkt der Roman aufschlussreich und verstörend zugleich. Birnbacher versucht über das Emazipationsthema dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen. Eine Geschichte als Erfahrungsbericht einer Protagonistin vom Land mit dem Versuch, den traditionell gewebten Rollenbildern zu entfliehen. Geschrieben von einer Frau für Frauen, als Werk der Bewusstmachung und mit dem notwendigen Pessimismus, der in die heutige Zeit passt.
Autor: Kordic, Martin

Interessantes zum Thema Migration.... - 3 Sterne

Der Roman hat mehr zu bieten als sein Titel uns verrät. Mich hat die Liebesgeschichte im Buch nicht besonders angesprochen, ich war von dem Beziehungsgeschehen eher gelangweit. Was mir gut gefallen und mich betroffen gemacht hat, ist das Migrationsschicksal bzw. die Identitätssuche des Protagonisten als Vetreter der unmittelbaren Nachfolgegeneration von Flüchtlingen, die in einem anderen Land seßhaft werden. Vor diesem Hintergrund und auch aufgrund seiner sehr schöne Erzählsprache erscheint mir das Buch doch sehr lesenswert!